"Österreich verteidigen? Wogegen?"
Irgendjemand stellt die Frage immer. Ob am Stammtisch, im Zug, beim Gespräch unter Freunden: „Gegen wen sollen wir uns bitte verteidigen? Wir sind ein neutrales, friedliches Land.“ Es ist ein Mantra, das in Österreich über Jahrzehnte zelebriert wurde – und noch immer zelebriert wird. Angefangen mit den Heimatfilmen der Fünfzigerjahre: Leicht beschwipst und stets charmant führen die Protagonisten die Besatzer an der Nase herum, doch richtig böse sein kann ihnen niemand. „Die Österreicher haben Charme. Sie sind freundlich, sorglos (...) sie haben wenig Respekt vor Regeln - und das hat die Deutschen am meisten erzürnt“, steht in einem britischen Besatzungshandbuch zum Umgang mit Österreichern. Wer also sollte uns etwas Böses wollen? Bis zum Ende des Kalten Krieges war – trotz Neutralität – klar: Ein Angriff der Sowjetunion ist das größte Risiko. Die Raumverteidigung war geboren, wenig später, 1975, wurde die Umfassende Landesverteidigung (ULV) aus der Taufe gehoben. Ein Konzept, das nicht nur auf den militärischen Aspekt beschränkt ist.
Keine 15 Jahre später fiel die Mauer in Berlin, die Zeiten der Bedrohung schienen vorbei zu sein. Die Jugoslawienkriege, Terroranschläge sowie der „Kampf gegen den Terror“ der USA erlebte Österreich am Rande – bis Menschen flüchteten. Dabei hielt bereits eine neue Art des Krieges Einzug: Die Ära der hybriden Kriege – als Kehrseite einer digitalisierten, vernetzten Welt. Cyberattacken, Wirtschaftsspionage und Propaganda staatlicher wie privater Akteure, plötzlich ein Terroranschlag in Wien. Immer mehr österreichische Unternehmen wurden von chinesischen Firmen übernommen. Als die Pandemie zuschlug, wurden die Lieferkettenprobleme und Abhängigkeiten offensichtlich. Und spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist deutlich, dass diese Abhängigkeiten als Druckmittel verwendet werden. Russland und China fordern den Westen offen heraus, stellen die bisherige Weltordnung infrage. Es ist nicht wahrscheinlich, dass bald wieder russische Panzer an der Grenze stehen, doch in einer aus den Fugen geratenen Welt Prognosen für länger als fünf Jahre aufzustellen, ist gewagt. Österreich braucht eine funktionierende, Umfassende Landesverteidigung: militärisch, zivil, wirtschaftlich, geistig.
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