Millionen Menschen waren vor einem Jahr in der chinesischen Sonderverwaltungszone auf die Straße gegangen, um gegen den wachsenden Einfluss Chinas zu demonstrieren. Auch wenn die Aktivisten stets darauf pochten, keine Anführer zu haben, stachen immer wieder Galionsfiguren der Protestbewegung hervor – und diese müssen nun ins Gefängnis.
Der prominente Hongkonger Demokratie-Aktivist Joshua Wong (13,5 Monate Haft) sowie seine Mitstreiterin Agnes Chow (zehn Monate) wurden gemeinsam mit einem weiteren Aktivisten am Mittwoch zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Die drei Aktivisten hatten zuvor gestanden, bei den großen Protestmärschen im Vorjahr an der Organisation einer nicht genehmigten Versammlung vor dem Hongkonger Polizeipräsidium mitgewirkt beziehungsweise andere zur Teilnahme angestiftet zu haben. Tausende Demonstranten hatten das Präsidium für Stunden umstellt.
Bereits damals waren Wong und Chow öfters festgenommen worden, unter anderem knapp vor einem Interview-Termin mit dem KURIER. Allerdings kamen beide stets unter gewissen Auflagen bald wieder frei, setzten ihren Protest fort. „Als Aktivistin und Teil der Demokratiebewegung in Hongkong war ich geistig darauf vorbereitet, verhaftet zu werden, vielleicht sogar ins Gefängnis geworfen zu werden“, sagte Chow später im KURIER-Gespräch.
Als sich das Lager der Aktivisten in einigen Teilen radikalisierte und die Proteste immer gewalttätigere Züge annahmen, schritt Peking – wie befürchtet – hart ein. Die Corona-Krise nutzend, verabschiedete die Regierung ein Sicherheitsgesetz für Hongkong, das es unter anderem verbietet, Hongkongs Unabhängigkeit zu fordern. Es ist der bisher stärkste Eingriff in Hongkongs Autonomie und gibt Chinas Staatssicherheit weitreichende Vollmachten.
Mit Haft gerechnet
Nach der Verurteilung veröffentlichte Wong über seinen Anwalt eine Erklärung auf Twitter. „Es ist nicht das Ende des Kampfes“, sagte Wong demnach. Er werde die Schlacht gemeinsam mit vielen anderen Demonstranten weniger sichtbar aus dem Gefängnis fortsetzen.
Mit der nun verhängten Gefängnisstrafe hatte Wong, der bereits die vergangenen Tage in Untersuchungshaft verbringen musste, im Vorfeld gerechnet. Nach einem Brief, den der Aktivist am Dienstag auf seiner Facebook-Seite veröffentlichen ließ, musste er nach seiner Einweisung in die Untersuchungshaft die Tage in einer Einzelzelle bei ständig eingeschaltetem Licht verbringen. Er habe seinen Mundschutz über die Augen ziehen müssen, um schlafen zu können.
Die Urteile sorgten in Europa für Empörungsbekundungen, auf die Hongkonger Aktivisten macht das mittlerweile keinen Eindruck mehr: „Anfangs dachten wir, Europa wird uns helfen, aber diese Hoffnung hat sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Sie können sich nicht durchsetzen“, sagt der Student Michael zum KURIER.
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