Griechenland führt die Sechs-Tage-Woche ein
"Wir wurden gewählt, um ein aggressives Reformprogramm umzusetzen. Und das tun wir jetzt. Wir haben jetzt drei Jahre ohne weitere Wahlen vor uns, unsere Leistung wird 2027 bewertet werden."
Es klingt fast wie eine Drohung des konservativen griechischen Premierministers Kyriakos Mitsotakis. Seine Mitte-Rechts-Partei Nea Dimokratia holte bei der Europawahl mit 28,3 Prozent der Stimmen zwar fast doppelt so viele wie die linke Oppositionspartei Syriza (14,9 Prozent) und mühelos den ersten Platz. Doch man blieb weit unter den von Mitsotakis als Ziel festgesetzten 33 Prozent.
Als Grund wurde die aktuell größte Sorge der Griechen ausgemacht: die hohen Lebenshaltungskosten. Der Bank von Griechenland zufolge geben 27 Prozent der griechischen Bevölkerung mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten aus.
Mitsotakis will dagegen steuern – und fokussiert sich dabei auf arbeitgeberfreundliche Maßnahmen, die Gewerkschaften und Linkspolitiker jedoch aufschreien lässt.
Arbeitnehmer müssen 24 Stunden vorher informiert werden
Ab 1. Juli dürfen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zu einer Sechs-Tage-Woche verpflichten. Damit wird Griechenland das erste Land in der EU mit einer Wochenarbeitszeit von 41 Stunden. Bisher war das nur in im Tourismus und in der Lebensmittelindustrie möglich, jetzt wird die Anordnung eines sechsten Arbeitstages für alle privaten und öffentlich kontrollierten Branchen (nicht aber Beamte) erlaubt. Der Arbeitnehmer muss mindestens 24 Stunden davor informiert werden. Für den sechsten Arbeitstag ist ein Zuschlag von 40 Prozent des Tageslohns vorgesehen; 115 Prozent, wenn der Tag auf einen Feiertag fällt.
Überstunden sind keine möglich. Der Tag muss in einem System eingetragen werden, das staatlich kontrolliert werden soll.
Damit sollen vor allem "Industrieunternehmen mit rotierender Schichtarbeit und hoch spezialisiertem Personal ihre Abläufe nicht unterbrechen müssen", zitiert die FAZ das griechische Arbeitsministerium. Weiterhin habe jeder Arbeitnehmer auch das Recht auf elf zusammenhängende arbeitsfreie Stunden pro Tag oder Nacht sowie auf 24 Stunden alle sieben Tage. Die Maßnahme soll auch dazu dienen, Schwarzarbeit einzudämmen.
Bis zu zwei Jobs
Doch Kritiker betonen, dass auf den Arbeitnehmern bereits jetzt hoher Druck laste: Die Löhne seien zu niedrig, viele Griechen seien zu zwei Jobs gezwungen, um die Lebenshaltungskosten stemmen zu können – etwa acht Stunden in dem einen und täglich bis zu fünf Stunden in dem anderen Job.
Auch dass das Kündigungsrecht gelockert werden soll, verschärfe die Arbeitsbedingungen: Arbeitgeber sollen im Laufe des ersten Jahres den Arbeitnehmer jederzeit entlassen können. Mitsotakis will damit Unternehmen dazu bringen, mehr Menschen einzustellen: Die Arbeitslosenquote in Griechenland ist doppelt so hoch wie der Durchschnittswert der Eurozone (2023: 10,9 Prozent). Auch die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber sollen gesenkt werden. Eine Senkung der Mehrwertsteuer, was von linken Ökonomen häufig als effektive Maßnahme zur Bekämpfung der Inflation gesehen wird, schließt der Premierminister vehement aus.
Viele Arbeitsstunden, aber wenig Produktivität
Ökonomen beklagen seit Langem die geringe Arbeitsproduktivität in Griechenland – eine der niedrigsten in der EU, während die griechischen Arbeitnehmer im EU-Vergleich bereits die längsten Arbeitszeiten in Europa haben. Dem deutschen Statistischen Bundesamt zufolge waren es 2022 im Schnitt 41 Wochenarbeitsstunden, der europäische Durchschnitt lag bei 37 Wochenstunden. In Österreich lag die durchschnittliche Erwerbstätigkeit bei 35,7 Wochenstunden. Der geringste Wert wurde mit 31,3 Wochenarbeitsstunden für die Niederlande ausgewiesen – zurückzuführen auf den hohen Anteil der Erwerbstätigen in Teilzeitverhältnissen (43,4 Prozent).
Über Gebühr sollen die Griechen aber auch in Zukunft nicht arbeiten, wie das neue Gesetz aus Athen festlegt: 48 Stunden pro Woche sind demnach das Maximum.
Auf eine Steigerung der Produktivität sowie auf die Automatisierung von Prozessen müsse man sich konzentrieren, anders erhöhe sich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes nicht nachhaltig. Dies könne auch mit einer Reduzierung der Arbeitsstunden einhergehen, zitiert die FAZ den Chef der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer, Athanassios Kelemis.
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