Gelobt, aber verstaubt: Warum europäische Bürgerinitiativen nicht mitreißen

Gelobt, aber verstaubt: Warum europäische Bürgerinitiativen nicht mitreißen
Online zu unterzeichnen wäre einfach – aber kaum jemand weiß, dass es die Listen überhaupt gibt

Seit Jahr und Tag kämpfen sie mit Feuereifer für Ihre Sache – die Aktivisten der Tierschutzgruppe „Cruelty Free Europe“: Keine Maus, keine Ratte, kein einziges Tier in Europa soll künftig mehr für die Entwicklung von Kosmetikprodukten im Labor leiden oder gar sterben müssen.

Das wäre eigentlich in Europa schon seit mehr als zehn Jahren verboten. Doch es gibt unzählige Ausnahmen und Schlupflöcher, noch immer fristen Millionen Tiere in Versuchslaboren ein qualvolles Dasein.

Und so griff „Cruelty Free Europe“ zu einem Instrument, mit dem man hoffte, in Europa einen Paukenschlag zu setzen: Die Organisation startete eine europäische Bürgerinitiative.

Das Ziel – über eine Million Unterschriften von EU-Bürgern aus mindestens sieben EU-Staaten – wurde erreicht. Damit musste sich nun gestern in Brüssel die EU-Kommission und auch das EU-Parlament in einer öffentlichen Anhörung mit den Forderungen der Tierschützer beschäftigen.Und hier endet sie auch schon, die Geschichte der allermeisten Europäischen Bürgerinitiativen, die es überhaupt so weit geschafft haben.

Denn dass es gelingt, tatsächlich eine Gesetzesänderung in Brüssel zu erwirken, hat noch keine der bis heute 100 Initiativen für sich verbuchen können.

Auch den Aktivisten von „Cruelty Free Europe“ dürfte es nicht anders ergehen. Schon im EU-Parlament bekamen sie am Donnerstag viele kritische Stimmen von Abgeordneten zu hören: In letzter Konsequenz auf Tierversuche auch in der Medizin zu verzichten – wie solle das gehen?

Und auch der Vertreter der EU-Kommission schmetterte ab: „Es gibt in diesem Bereich der medizinischen Forschung noch keine Alternative zu Tierversuchen.“Seit über zehn Jahren gibt es in der EU die Möglichkeit, europaweite Bürgerinitiativen zu starten. Das größte Problem dabei: Kaum jemand weiß davon. Zunächst hochgelobt, haben die Initiativen nie wirklich abgehoben.

„Ich war anfangs ein Fan davon. Aber sie haben sich letztlich nie als Instrument erwiesen, wie man Europa den Bürgern näher bringen kann“, meint Paul Schmidt von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE). „Wenn so eine Initiative nicht institutionell getragen wird, dann erfahren einfach zu wenig Leute davon.“

Derzeit acht Initiativen

Denn es liegt an den Organisatoren, das Interesse der Medien zu wecken und dann darüber zu berichten. Acht Europäische Bürgerinitiativen laufen derzeit. Und selbst die derzeit erfolgreichste – „Schluss mit der Schlachtung von Tieren“ – wird die Hürde von einer Million Stimmen voraussichtlich nicht schaffen. Dabei wäre das Unterzeichnen die geringste Hürde – online geht es in weniger als einer Minute. Man muss nur Namen und Passdaten angeben. Doch wie unterzeichnen, wenn man noch nie von den Initiativen gehört hat?

Zwölf Monate beträgt die Frist, innerhalb derer man bei einer Initiative unterzeichnen kann (https://europa.eu/citizens-initiative/_de).

Vor eineinhalb Monaten etwa startete eine Initiative, dass an allen privaten und öffentlichen Orten in Europa, wo Essen und Getränke verkauft werden, auch eine vegane Alternative angeboten wird. Aus Österreich kamen dazu bisher 45 Stimmen.

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