Bioeinheitsbrei war gestern: Teebeutel mit Tomatensaat
Eines vorweg: Müsli gibt es bei der größten Biomesse der Welt, der Biofach diese Woche in Nürnberg, bis zum Abwinken. Doch Florian Zagler fällt mit seiner Variation auf – Bio-Honigmüsli mit geräuchertem und gemahlenem Rinderspeck. Klingt gewagt, hat aber Potenzial, findet zumindest der Oberösterreicher. „Weil nicht jeder ein süßes Frühstück will und der Handel nach Innovationen sucht.“ Wahlweise könne man sein „Smokey Beef“-Müsli auch als Topping über den Salat oder ein Spiegelei streuen.
Drei Tonnen Müsli produziert der Oberösterreicher an einem Arbeitstag, im Vergleich zu anderen auf der Messe also quasi nichts. Aber mit den Großen will er sich auch gar nicht vergleichen.
„Die Großen backen schnell im Industrieofen auf, wir dagegen langsam bei niedriger Temperatur.“ Deswegen seien seine Hafer- und Dinkelflocken auch knuspriger. An seinem Messestand tauchen aber nicht nur Menschen auf, die schon immer einmal Rind im Müsli haben wollten. Viele wollen etwas verkaufen. Heidelbeeren aus der Ukraine etwa. Wer im Bio-Geschäft mitmischen will, ist eben dieser Tage offensichtlich in Nürnberg. Mehr als 3.700 Aussteller und 50.000 Fachbesucher aus 136 Ländern, laut Veranstalter.
Kein Fisch, kein Fleisch
Mitgebracht haben sie unter anderem Bio-veganen Thunfisch. Gemacht im Wesentlichen aus Jackfrucht und Seegras, das in Sri Lanka in Dosen gefüllt und unter diversen Eigenmarken der Handelshäuser auch in Europa im Supermarkt landet. Vegan ist einer der großen Trends auf der Messe. „Das erste komplett glutenfreie vegane Pökelfleisch“, genannt vegane Mortadella, wird ebenso angepriesen wie Mascarpone frei von Milch (dafür auf Erbsen und Pflanzenfettbasis). Und für jene, die sich noch nicht vom Fleisch verabschieden wollen, Bio-Burger, die halb aus Fleisch und halb aus Gemüse bestehen.
Die Beweggründe, zu Bio zu greifen, haben sich in den vergangenen zehn Jahren verschoben, sagt Christina Muthenhalter-Sipek, Geschäftsführerin der AMA-Marketing am Rande der Messe. „Tierwohl und Nachhaltigkeit sind entscheidende Kaufkriterien geworden.“ Kernzielgruppe sind junge Familien und gut situierte urbane Haushalte.
Letztere will auch Manuela Baron von der Firma Primoza abholen. Mit einem Teebeutel – „handvernäht und biologisch abbaubar“. Im Etikett klebt Saatgut, das man nach dem Teetrinken im Teebeutel ansetzen soll. Könnte man theoretisch in jedem anderen Teebeutel machen, aber da hätte man dann wohl Mikroplastik im Beutel, betont Baron: „Unsere Zielgruppe sind vor allem Städter, die bis jetzt gedacht haben, dass sie nichts anbauen können.“ Was für manche wohl wie ein Pflanz klingt, war kurz nach dem Verkaufsstart (im vergangenen Herbst) auch schon ausverkauft, sagt Baron. 10.000 Packungen. Über den Ladentisch gingen sie nicht nur virtuell, sondern auch bei Christkindlmärkten in Innsbruck, Salzburg oder Wien.
Gefragt ist alles, was neu ist, sind sich alle einig. Händler suchen Innovationen, der Bio-Markt ist volatil. Während die Österreicher 2022 beim Einkaufen mehr für Bio ausgegeben haben (laut RollAMA um 3,7 Prozent), haben die Deutschen die Ausgaben um 3,5 Prozent reduziert. Frankreich meldet sogar ein Minus von 15 Prozent im Bio-Umsatz. Die Gründe für die unterschiedlichen Entwicklungen liegen auch in der Handelsstruktur. Unter Druck kamen zuletzt die Biofachhändler, die in Österreich eine untergeordnete Rolle spielen.
Spendable Österreicher
Aus Sicht von Gertraud Grabmann, Obfrau von Bio Austria, gibt es noch einen weiteren wesentlichen Grund für die trotz hoher Inflation gute Bio-Entwicklung in Österreich. „Die Teuerung hat im Bio-Segment deutlich weniger durchgeschlagen.“ Das belegen auch die Zahlen der RollAma. Demnach sind konventionelle Lebensmittel im Vorjahr um 11,5 Prozent teurer geworden, Bio-Ware dagegen nur um 7,5 Prozent. Sprich, der Preisaufschlag ist kleiner geworden.
Was den Bio-Anteil in der Landwirtschaft angeht, ist Österreich mit einem Flächenanteil von 25 Prozent europaweit führend. „Und mehr als zehn Prozent der gekauften Lebensmittel in Österreich sind Bio“, betont Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig.
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