Doch ein dänisches TV-Team verfolgte die Spur einiger zur Vernichtung freigegebener, neuer Kleidungsstücke bis zur Verbrennungsanlage und testete dort: Das Ergebnis: Sicherheitsmängel, wie etwa Bleigehalt oder Bakterienbefall oder Ähnliches konnten nicht festgestellt werden.
„Für unser Unternehmen ist völlig irrelevant, was auf EU-Ebene zu diesem Thema entschieden wird“, sagt hingegen Karl Mayr, Chef der oberösterreichischen Modehandelskette Fussl.
In seinem Unternehmen werde keine Ware weggeworfen. „99,8 Prozent verkaufen wir.“ Wenn nicht zu regulären Preisen, dann im Ausverkauf. Was selbst dort liegen bleibe, komme letztlich in dafür angemietete „Fashion Outlets“, von denen Mayr immer zwischen 6 und 15 im Betrieb habe.
Die wenigen Restbestände, die dann noch übrig bleiben, spende er nach Rumänien, sagt Mayr. „Weggeworfen wird von uns gar nichts.“
Für die gesamte Textilbranche in Europa aber hat die EU ganz andere Zahlen parat: „Rund 20 Prozent der unverkauften Ware werden vernichtet.
Das betrifft vor allem Online-Ware“, weiß die deutsche EU-Abgeordnete Delara Burkhardt (SPD). Sie ist die Berichterstatterin im EU-Parlament für die EU-Textilstrategie und weist darauf hin:
Ein Gesetz, neue Textilien zu vernichten, gebe es in Deutschland, „aber manche Unternehmen reden sich darauf aus, dass die Ware schon Gebrauchsspuren aufweise.“
Bürokratischer Aufwand
Aus Sicht der EU-Minister soll das europaweite Verbot, neue Kleidung zu vernichten, nur die großen Textilhändler treffen. Rainer Trefelik, Handelsobmann in der Wirtschaftskammer Österreich und selbst Modehändler in Wien, nimmt dies schulterzuckend zur Kenntnis:
„Zu befürchten ist, dass die Regelung trotzdem einen Rattenschwanz an Bürokratie nach sich ziehen wird. Und das, obwohl das Thema bei den Betrieben null Praxisrelevanz hat.“
Tatsächlich kommt auf die Betriebe mehr Arbeit zu: Um zu beweisen, dass die Unternehmen die Ware nicht einfach vernichten, sollen sie jährlich berichten, wie viele Waren und warum sie sie entsorgt haben.
Das EU-Parlament will noch weiter gehen. Auch für Klein- und Mittelbetriebe soll künftig das Vernichtungsverbot gelten. „Wenn wir sie außen vorließen“, sagt EU-Abgeordnete Burkhart, „würden wir 99 Prozent der Unternehmen auf diesem Sektor aus der Pflicht nehmen.“ Noch laufen die Verhandlungen zwischen EU-Ministern und EU-Parlament. Doch dass ein Vernichtungsverbot kommen wird, gilt bereits als fix.
Nach Meinung Rainer Trefeliks setzt die EU beim falschen Hebel an. „Das Problem, dass Ware ungebraucht weggeworfen wird, hat man primär im Onlinehandel, der mit einer Retourenquote von bis zu 70 Prozent kämpft.“
Trefelik: „Ich würde es deshalb für sinnvoller halten, die Gratisversendung von Waren inklusive Gratis-Retouren einzuschränken. Das würde sinnloses Hin- und Herschicken eindämmen, wäre ökologisch nachhaltig und würde den Klein- und Mittelbetrieben helfen, die preislich mit den Online-Riesen nicht mithalten können.“
Überproduktion
Ziel der Vernichtungsverbotes ist letztlich, die gigantische Überproduktion auf dem Textilsektor einzudämmen. Seit dem Jahr 2000 hat sich die weltweite Produktion verdoppelt – und steigt weiter. Immer mehr, immer billiger bedeutet auch: Immer mehr Müll. Elf Kilo alter Kleidung wirft jeder EU-Bürger im Schnitt pro Jahr weg.
Ab 2024 müssen diese elf Kilo getrennt gesammelt werden – denn auch das Material in Textilien soll künftig besser recycelt werden.
Was wiederum bedeutet: Für Textilien werden künftig Mindestwerte für die Verwendung recycelter Fasern festgelegt. Bis dato wird in der EU nur ein Prozent aller Textilfasern wieder verwertet. Für Modehändler Trefelik läuft die ganze Öko-Debatte am Modemarkt „scheinheilig: „Wenn ein
T-Shirt um drei Euro im Geschäft hängt, kann niemand ernsthaft die Erwartungshaltung haben, dass dahinter eine nachhaltige Produktion steckt.“
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