Als innenpolitisch geschwächt steht der Präsident mehr denn je da. Zwei Drittel der Franzosen wünschen laut einer Umfrage seinen Rücktritt. Rufe danach wurden auch schon aus den Reihen der Linken laut, die der 46-Jährige bislang als „Politik-Fiktion“ abtat. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden regulär erst 2027 statt.
Mögliche Nachfolger
Als mögliche Nachfolger Barniers werden in erster Linie zwei Macron-Vertraute gehandelt, nämlich der 38-jährige Verteidigungsminister Sébastien Lecornu sowie der Chef der Zentrumspartei François Bayrou, mit seinen 73 Jahren ein Urgestein der französischen Politik.
Der niedergeschlagene Barnier sagte noch am Donnerstag, er wünsche dem künftigen Regierungschef „ganz ehrlich viel Glück“. Tatsächlich wird dieser großes Geschick an den Tag legen müssen, um wieder in den Dialog mit der Opposition zu kommen.
Die Krise begann mit Macrons Reaktion auf die EU-Wahlen
Begonnen hatte die Krise am Abend der EU-Wahlen im Juni, als Macron nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei überraschend vorgezogene Parlamentswahlen ankündigte.
Diese führten im Juli zu einer neuen Aufteilung der Nationalversammlung in drei große Blöcke: ein Bündnis der linken und grünen Parteien, eines aus den Kräften der politischen Mitte sowie der rechtsextreme Rassemblement National (RN) als größte Einzelpartei.
Während es Macrons Mitte-rechts-Regierung an einer Mehrheit fehlte, konnten sich nun die Linken und der RN zusammentun, um Barnier zu Fall zu bringen.
Streitpunkt Budget: Warum Barnier gestürzt wurde
Obwohl der ehemalige EU-Kommissar als ausgefuchster Verhandler gilt, scheiterte er bereits an seinem ersten großen Projekt, dem Budget für das nächste Jahr. Um die hohe Staatsverschuldung von 3,2 Billionen Euro und das Defizit von rund sechs Prozent zu verringern, sah er Einsparungen und Steuererhöhungen in Höhe von 60 Milliarden Euro vor.
Daraus wird nun nichts, doch in Frankreich ist kein Shutdown wie in den USA zu befürchten, da der Vorjahreshaushalt auf das nächste Jahr übertragen werden kann; allerdings droht die Ausgabenspirale weiter anzusteigen.
Noch am Donnerstagabend verschaffte Macron in einer Fernsehansprache seinem Ärger über die „Koalition der Verantwortungslosen“ Luft, wie er den Zusammenschluss von Linkspartei, Sozialisten, Grünen, Kommunisten und dem rechtsextremen RN nennt. Einen neuen Premier präsentierte er nicht.
Tatsächlich rächte sich das Linksbündnis dafür, dass er es bei der Wahl des Premiers übergangen hatte, obwohl es bei der Parlamentswahl die meisten Sitze erzielt hatte. Stattdessen setzte er Barnier ein, weil ihm die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen ursprünglich versichert hatte, diesem zumindest eine Chance zu geben.
Le Pen erhöht den Druck
Es gilt als offenes Geheimnis, dass Le Pen Macrons Sturz wünscht. Sie selbst steht in den Umfragen bestens da, fürchtet aber das Urteil im Prozess wegen der Veruntreuung von EU-Geldern am 31. März, bei dem ihr als Strafe eine mehrjährige Nichtwählbarkeit droht.
Sie könnte versuchen, Macron möglichst rasch zum Rücktritt zu zwingen – auch wenn sie das nicht so konkret ausdrückt. „Es ist an ihm allein zu sagen, ob er die Ablehnung im Volk gegen ihn übergehen will“, sagte sie selbst, in fast staatstragender Ruhe.
So als gelte es einfach nur noch abzuwarten, bis sich alles noch weiter nach ihrem Geschmack entwickelt.
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