Frankreichs Regierung gestürzt: Le Pen geht es um viel mehr als das Budget

Frankreichs Regierung gestürzt: Le Pen geht es um viel mehr als das Budget
Ein Zweckbündnis aus Linken und Rechtsextremen rund um Marine Le Pen brachte am Mittwochabend Frankreichs Regierung zu Fall.

Es war ein Scheitern mit Ansage: Fast auf den Tag genau drei Monate nach Amtsantritt des französischen Premierministers Michel Barnier wurde dieser am gestrigen Mittwoch zu Fall gebracht. Ein ungewöhnliches Zweckbündnis aus den linken Parteien und dem rechtsextremen Rassemblement National (RN) Barnier stimmte gemeinsam für einen Misstrauensantrag der Linken. Die politische Krise hatte sich bereits abgezeichnet, da die Regierung über keine eigene Mehrheit im Parlament verfügte und ihre gegnerischen Parteien kein Interesse an einer Zusammenarbeit hatten.
 

Budget als Knackpunkt

Ausgelöst hatte den Misstrauensantrag Barniers Versuch, den Finanzrahmen für die Sozialversicherung als Teil des Haushaltsgesetzes am Parlament vorbei zu beschließen. Sein Entwurf sah umfassende Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vor, um das hohe französische Defizit von rund sechs Prozent zu verringern und den Schuldenberg in Höhe von 3,2 Billionen Euro nicht weiter anwachsen zu lassen. Barnier war mehreren Forderungen der Opposition entgegengekommen. Er selbst sagte von sich, er habe „Respekt und Dialogbereitschaft an den Tag gelegt, um jeden Tag dieses Gesetz noch zu verbessern, das nicht perfekt war“.

Zuvor hatte er öffentlichkeitswirksam bei einem Interview in den Hauptnachrichten am Dienstagabend an den „Reflex des Verantwortungsgefühls“ aller Abgeordneten appelliert. Ohne einen Sparhaushalt, der der Ausgabenexplosion Einhalt gebiete, werde alles „noch viel schwerer“, warnte er ehemalige EU-Kommissar und Brexit-Unterhändler. Doch die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen habe nach jedem Zugeständnis, das er machte, ein weiteres verlangt.

Defizitverfahren: Wegen der hohen Neuverschuldung und aus Angst vor einer Gefährdung der Stabilität des Euros hat die EU-Kommission ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet.

Barniers Sparprogramm: 60 Milliarden Euro wollte die französische Regierung mit dem Haushalt 2025 einsparen - 20 Milliarden durch höhere Steuern für Reiche, für die 440 größten französischen Unternehmen und auf Flugtickets; 40 Milliarden durch Einsparungen etwa bei Pensionen: Sie sollten 2025 erst ab 1. Juli und nicht schon mit Anfang Jänner an die Inflation angepasst werden. Im öffentlichen Dienst, etwa im Bildungsbereich, sollten 2.200 Stellen gestrichen werden. 

"Keine Konzession"

Sie selbst stellte den Verlauf der Absprachen bei ihrer gestrigen, überaus angriffslustigen Rede in der Nationalversammlung anders da. „Keine einzige Konzession“ habe Barnier gemacht, schleuderte sie ihm dort entgegen: „Sie haben nur eine einzige Antwort gegeben: Steuern, Steuern, immer nur Steuern“. Die Rechtspopulistin präsentierte sich als Fürsprecherin von „Millionen von Franzosen, die übergangen wurden, quasi ausgelöscht aus dem Geist der Regierenden“. Als Vertreter der Linkspartei La France Insoumise (LFI) bezeichnete der Abgeordnete Éric Coquerel Barnier als „Opfer eines Fluchs, den ihm der wahre Verantwortliche für diese Situation, Emmanuel Macron, übertragen hat“, da er nicht legitim im Amt gewesen sei.

Das links-grüne Bündnis Neue Volksfront (Nouveau Front Populaire) hatte bei den überraschend von Macron ausgerufenen Parlamentswahlen im Sommer insgesamt die meisten Stimmen erzielt und dessen Verantwortliche sahen sich um ihren Wahlsieg betrogen, da Macron ihnen keine Regierungsverantwortung übertrug. Stattdessen wendete er sich den Konservativen zu, aus deren Reihen Barnier stammt. Der ehemalige EU-Kommissar und Brexit-Unterhändler wiederum suchte in erster Linie den Dialog mit Le Pen, um seinem Scheitern zu entgehen.
 

Macron beschwichtigt

Diese demonstrierte nun bei der ersten Gelegenheit ihre Macht, indem sie den Daumen senkte. Tatsächlich gilt der Sturz des Präsidenten als das übergeordnete Ziel der Partei. Dieser werde „seine zweite Amtszeit ganz sicher nicht zu Ende bringen“, hatte die Rechtspopulistin prophezeit. Macrons Mandat läuft regulär noch bis zum Frühjahr 2027.

Er selbst versuchte von Saudi-Arabien aus, wo er sich just bis Mittwoch auf einem Staatsbesuch befand, zu beschwichtigen. Er wolle nicht an einen erfolgreichen Misstrauensantrag glauben, sagte er. „Meine Priorität ist die Stabilität.“ Medienberichten zufolge war aber längst die Suche nach einem Ersatz für Barnier als Premierminister angelaufen. 

Mehrere Namen sind im Gespräch, darunter der Verteidigungsminister und Macron-Vertraute Sébastien Lecornu oder der Chef der zum Präsidentenlager zählenden Zentrums-Partei MoDem, François Bayrou, ein Urgestein der französischen Politik.

Ungewiss erscheint, ob es einem von diesen Männern gelingen könnte, vor dem Hintergrund der finanziellen und wirtschaftlichen Probleme die schwere Vertrauenskrise im Land zu beenden und einen Weg aus der Sackgasse heraus zu zeigen.

 

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