Geld weg, Designerware nicht da: Wie chinesische Betrüger 800.000 Menschen narrten

Geld weg, Designerware nicht da: Wie chinesische Betrüger 800.000 Menschen narrten
Es dürfte der größte aufgedeckte Betrug dieser Art sein: Ein Betrügernetz erschlich sich Geld und Daten von Hunderttausenden Europäern und US-Bürgern. Das nutzt womöglich auch der Regierung in Peking.

„Der Preis hat mich umgehauen“, sagt Melanie Brown. Es war ein paar Wochen vor Weihnachten, da suchte die 54-Jährige aus dem englischen Shropshire nach einer Tasche ihres Lieblingsdesigners Rundholz. Sie lud sie ein Bild einer Handtasche auf Google hoch, das Ergebnis: Minus 50 Prozent auf den Ursprungspreis von 200 Pfund. 

Am Ende ihres Einkaufs lagen 15 Waren im Wert von 1200 Pfund in ihrer Einkaufstasche. "Ich habe viel für mein Geld bekommen, also dachte ich, das ist es wert", sagt sie dem Guardian. Nur: Tatsächlich bekommen hat sie weder die Tasche noch die anderen Artikel – aber Geld und Kreditkartendaten waren weg.

Fabrik für Fake-Seiten

Zumindest 800.000 Menschen in Europa und den USA sind in den letzten Jahren auf Fake-Shops reingefallen, hinter denen ein einziges chinesisches Netzwerk steht. Seit dem Jahr 2015 hat die Gruppe zumindest 76.000 Onlineshops betrieben, berichten Guardian, Zeit und Le Monde in einer Gemeinschaftsrecherche – der Betrugsfall dürfte der größte bisher aufgedeckte dieser Art sein, die Rede ist von einer regelrechten Fabrik für Fake-Seiten made in China.

Angeboten wurden vor allem hochpreisige Kleidung und Schuhe von Designermarken wie Prada, Dior, Nike, Lacoste, Hugo Boss oder Versace, zumeist mit großen Rabatten; aber auch Spielzeug wie Playmobil war zu finden. Die Shops selbst poppten meist bei einer Google-Recherche auf, sahen recht vertrauenswürdig aus und waren zumeist auch noch mehrsprachig. Nach der Bestellung bekamen die Käufer aber nicht mehr als eine Bestellbestätigung – die Ware selbst kam nie an.

Daten für chinesische Regierung?

Den Betrügern dürften es wohl nur um die Daten gegangen sein. Denn seltsamerweise verloren viele Kunden kein Geld: Entweder hat ihre Bank die Zahlung blockiert oder der Fake-Shop selbst zog das Geld nicht ein. 476.000 der Käufer wurden jedoch um ihre Debit- und Kreditkartendaten entlockt, inklusive der dreistelligen Sicherheitsnummer auf der Rückseite der Kreditkarte. Auch Namen, Telefonnummern, E-Mail- und Postadressen wurden an das Netzwerk weitergegeben. 

"Daten sind die neue Währung", sagt Jake Moore, Berater für Cybersicherheit bei der Softwarefirma ESET, zum Guardian. Persönliche Daten könnten auch für ausländische Geheimdienste zu Überwachungszwecken eingesetzt werden, das wiederum könnte politischen nutzen haben: "Man muss davon ausgehen, dass die chinesische Regierung potenziell Zugriff auf die Daten hat."

 

Offizieller Firmensitz und Jobinserate

Katherine Hart vom Chartered Trading Standards Institute nennt die Aktion "eine der größten Betrügereien mit gefälschten Online-Shops, die ich je gesehen habe". Oft seien die Betrüger in schwere und organisierte Kriminalität verwickelt, die Daten würden sie sammeln, um sie später gegen die Menschen verwenden zu können – entweder mittels Phishing oder Cyberangriffe.

Die Betrüger selbst fühlten sich offenbar so sicher, dass sie in der Stadt Fuzhou sogar ein Unternehmen gründeten und öffentlich nach Programmierern suchten. Die Zeit berichtet über interne Schulungsunterlagen, in denen detailliert beschrieben wird, wie die Fake-Shops programmiert und betrieben werden.

Verwaiste Domains benutzt

Zahlreiche Seiten der chinesischen Bande sind seit Jahren online, und obwohl in Foren und Bewertungsportalen vor ihnen gewarnt wird, fallen noch immer Menschen auf sie rein. Um seriöser zu wirken, nutzen die Kriminellen oft verwaiste Domains – die haben eine Internet-Historie und fallen Google nicht so leicht als Fälschung auf. 

Die früheren Besitzer der Domains erfahren durch den Betrug dann meist durch erboste Beschwerden: Der Zeit berichtete die Besitzerin einer Glasperlenmanufaktur am Bodensee, dass sie fast täglich verärgerte Anrufe von Käufern erhielt, die sich fragten, wo denn ihre Lacoste-Kleidung sei. 

Ihre alte Website war für den Betrug benutzt worden, sie zeigte den Betrug bei der Polizei an. "Die Beamten sagten nur, dass sie nichts dagegen tun könnten." Einem Spielzeughändler in Paris erging es gleich, und auch er wurde laut Le Monde vertröstet: "Wir haben überlegt, mit einem Anwalt vorzugehen. Aber das dauert und kostet Geld."

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