Russlands Problem mit der ukrainischen Artillerie

Russlands Problem mit der ukrainischen Artillerie
In der Nacht auf Montag gab es indes Explosionen auf der Krim-Brücke. Zwei Menschen wurden laut russischen Angaben getötet, ein Mädchen verletzt.

Die russischen Streitkräfte in der Ukraine leiden nach Einschätzung britischer Militärexperten unter mangelnden Kapazitäten, um ukrainische Artillerie zu lokalisieren.

Das geht aus dem täglichen Geheimdienstbericht zum Krieg in der Ukraine des Verteidigungsministeriums in London am Montag hervor.

Demnach sind "nur noch eine Handvoll" der russischen Anti-Artillerie Radar-Einheiten vom Typ "SOOPARK" in der Ukraine einsatzbereit.

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Weiters in diesem Artikel:

  • Gegenoffensive: Fortschritte im Osten und Süden
  • Putin: Gegenoffensive hat keinen Erfolg
  • Putin: Werden Streubomben einsetzen, wenn nötig
  • Tote nach Angriffe auf Krim-Brücke - Russland macht Kiew verantwortlich
  • Ukrainische Piloten für Ausbildung an F-16 bereit

"Die Fähigkeit der russischen Bodentruppen zu überleben, hängt davon ab, die ukrainische Artillerie zu lokalisieren und Schläge gegen sie zu führen, oft mit der eigenen Artillerie", hieß es in der Mitteilung der Briten.

Dass der inzwischen entlassene russische General Iwan Popow den Mangel an Anti-Artillerie-Kapazitäten als einen seiner zentralen Kritikpunkte angeführt habe, unterstreiche deren zentrale Bedeutung in dem Krieg.

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Gegenoffensive: Fortschritte im Osten und Süden

Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge im Osten und Süden Boden gutgemacht. Bei Bachmut sei das ukrainische Militär sieben Quadratkilometer vorgerückt, schreibt die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar auf Telegram. Insgesamt habe die Ukraine dort seit dem Beginn der Gegenoffensive 31 Quadratkilometer zurückerobert.

Im Süden rückten ukrainische Soldaten auf die Städte Berdjansk und Melitopol vor, hieß es weiter.

Die Rückeroberung sei "infolge der verbesserten Positionierung und Ausrichtung der Frontlinie" gelungen.

Zuletzt hatte Kiew immer wieder Schwierigkeiten beim Vorrücken gegen die in Befestigungen verschanzten russischen Einheiten eingeräumt: Am Sonntag berichtete Vize-Verteidigungsministerin Maljar offen von russischen Erfolgen. In der nordostukrainischen Region Charkiw seien russische Kräfte "aktiv vorgerückt".

"Zwei Tage in Folge hat der Feind im Sektor Kupjansk in der Region Charkiw aktiv angegriffen. Wir sind in der Defensive", erklärte sie. "Es finden heftige Kämpfe statt, und Positionen (...) verändern sich mehrfach am Tag."

Putin: Gegenoffensive hat keinen Erfolg

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die im Juni begonnene ukrainische Gegenoffensive als erfolglos bezeichnet. Alle "Versuche des Feindes", die russischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, seien "während des gesamten Zeitraums der Offensive" erfolglos geblieben, sagte Putin in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview mit dem Fernsehsender Rossija-1. "Der Feind hat keinen Erfolg gehabt", ergänzte Putin.

 Die Lage an der Front sei für die russischen Streitkräfte "positiv". Die russischen Truppen verhielten sich "heldenhaft", sagte Putin. "Unerwartet für den Gegner" gingen "sie in einigen Sektoren sogar in die Offensive und erobern vorteilhaftere Positionen".

Putin: Werden Streubomben einsetzen, wenn nötig

Putin sagte in dem Interview, dass sein Land, falls nötig, auch Streubomben einsetzen werde. "Wenn sie gegen uns eingesetzt werden, haben wir selbstverständlich das Recht, entsprechend zu reagieren."

Menschenrechtsvertreter werfen den russischen und den ukrainischen Streitkräften vor, in dem Krieg bereits in der Vergangenheit Streubomben eingesetzt zu haben.

Dagegen gibt Putin an, Russland habe sie bisher nicht eingesetzt, obgleich es eine Zeit lang auch auf russischer Seite "bekanntermaßen einen Mangel an Munition" gegeben habe.

Der russische Präsident warf den USA vor, die umstrittene Streumunition bereitzustellen, weil der Westen nicht mehr in der Lage sei, die Ukraine mit ausreichend herkömmlichen Mitteln zu versorgen. "Sie haben nichts Besseres gefunden, als den Einsatz von Streumunition vorzuschlagen", sagte Putin. Auch diese Aussage wurde von einem Vertreter der Gegenseite bestätigt.

So sagte der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, am Sonntag dem US-Sender CNN, dass mit der Lieferung von Streumunition eine "Lücke" bei der Unterstützung der Ukraine geschlossen werden solle.

Tote nach Angriffe auf Krim-Brücke

Auf der Krim-Brücke hat es in der Nacht auf Montag mehrere Explosionen gegeben. Der russische Telegram-Kanal Graue Zone, der mit der Söldnergruppe Wagner in Verbindung gebracht wird, berichtete von zwei Einschlägen auf die Krim-Brücke um 3:04 Uhr und 3:20 Uhr.

Ein Mann und eine Frau sind bei dem Angriff in ihrem Auto gestorben, teilte der Gouverneur des russischen Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, mit. Die Tochter des Paars wurde verletzt. 

Der Verkehr ist aufgrund einer "Notfall-Situation" zum Erliegen gekommen, schrieb der von Russland eingesetzte Gouverneur Sergei Aksjonow in der Messaging-App Telegram. 

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Ukrainischer Geheimdienst verantwortlich

Der Angriff auf die Brücke zu der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim soll nach Geheimdienstangaben auf das Konto der Ukraine gehen.

Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU und die Marine sollen nach Informationen mehrerer ukrainischer Medien in der Nacht die Attacke mit unbemannten Wasserfahrzeugen durchgeführt haben.

"Werk des Kiewer Regimes"

Der Kreml hat die Ukraine für den Angriff verantwortlich gemacht. "Wir kennen die Gründe und diejenigen, die hinter dem Terroranschlag stehen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag laut russischen Nachrichtenagenturen.

"Das alles ist das Werk des Kiewer Regimes“. Am Abend werde Putin eine Sondersitzung leiten und sich dabei von Vizeregierungschef Marat Chusnullin über die Dauer der Renovierungsarbeiten an dem 19 Kilometer langen Bauwerk unterrichten lassen.

Zuvor hatten bereits das russische Anti-Terror-Komitee und die Ermittlungsbehörde Anschuldigungen gegen Kiew erhoben. Wie Moskau konkret auf den Beschuss der Brücke reagieren werde, sagte Kremlsprecher Peskow hingegen nicht. 

Zuvor hatte eine Sprecherin des ukrainischen Militärs den Vorfall auf der Krim-Brücke noch als "Provokation" Russlands bezeichnet, die im Zusammenhang mit dem Auslaufen des Getreideabkommens heute Nacht stehe. Das Vorgehen und das folgende lautstarke Bekanntmachen sei typisch, sagt die Sprecherin des ukrainischen Kommandos Süd, Natalja Humeniuk, im Sender Rada.

Schäden auf der Fahrbahn

Das russische Verkehrsministerium teilte mit, dass es Schäden an der Fahrbahn gebe, die Brückenkonstruktion sei aber intakt. Der Verkehr sei im Bereich des 145. Stützpfeilers der Brücke gestoppt worden, teilte Aksjonow mit. Die Strafverfolgungsbehörden und alle zuständigen Dienststellen seien im Einsatz. Es würden Maßnahmen ergriffen, um die Situation wiederherzustellen.

Auch der Fährverkehr in der Straße von Kertsch wurde eingestellt. Die ebenfalls über die Brücke verlaufende Bahnstrecke dürfte nicht gröber beschädigt worden sein. Der Zugverkehr sollte am Vormittag wieder aufgenommen werden.

Aksjonow forderte die Bewohner auf, Ruhe zu bewahren. Bewohner der Region und Touristen sollten aus Sicherheitsgründen einen alternativen Landweg durch die von Russland besetzten Regionen in der Südukraine wählen.

Die Ukraine hatte in der Vergangenheit wiederholt mit Angriffen auf die 19 Kilometer lange Kertsch-Brücke gedroht, die ein wichtiger Versorgungs- und Nachschubweg auch für die russischen Truppen auf der Krim ist. Im Oktober 2022 war die Brücke bei einer Explosion schwer beschädigt worden, wurde aber danach wieder repariert.

Ende Mai räumte der ukrainische Geheimdienst erstmals eine Beteiligung an der Explosion ein.

Kiew hat angekündigt, die Krim zurückerobern zu wollen. Trotz der angespannten Sicherheitslage und langer Kontrollen zieht es russische Urlauber Medienberichten aus Russland zufolge wieder in großer Zahl auf die Halbinsel, die für Urlauber nur per Bahn oder Auto erreichbar ist.

Ukrainische Piloten für Ausbildung an F-16 bereit

Die erste Gruppe ukrainischer Piloten ist bereit zum Training an den Kampfjets vom Typ F16 im Ausland. "Wir warten, dass die erste Gruppe ausreist und dann folgt die zweite“, sagte Luftwaffensprecher Jurij Ihnat am Montag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Ukraine.

Insgesamt sollen mehrere Dutzend Ukrainer an den Kampfjets des US-Typs ausgebildet werden. Technisches Personal werde ebenfalls geschult.

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Missverständnis

Die ukrainische Luftwaffe verbreitete am Montag ein Dementi, nachdem mehrere ukrainische Medien Luftwaffensprecher Ihnat falsch zitiert hatten. Es sei noch niemand zur Ausbildung ins Ausland gereist, teilten die Luftstreitkräfte mit.

Statt "Wir warten. Die erste Gruppe ist ausgereist, die zweite folgt" sagte er: "Wir warten, dass die erste Gruppe ausreist, dann folgt die zweite."

In welchem Land die Ausbildung stattfinden werde, sagte Ihnat nicht. Im Juni hatten die Niederlande erklärt, dass die Ausbildung ukrainischer Piloten in nächster Zeit beginnen werde.

Die Ukraine verteidigt sich seit fast 17 Monaten gegen eine russische Invasion. Kiew hatte lange auf die Lieferung westlicher Kampfjets gedrängt. Diese seien notwendig, um die russische Luftüberlegenheit zu brechen, hieß es.

Bisher kämpft die ukrainische Luftwaffe mit veralteten Kampfflugzeugen aus sowjetischer Produktion.

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