Experte über Prigoschins Vorgehen: Kein Putsch, aber Meuterei

Counter-terrorism measures enforced in Moscow
Britischer Militärhistoriker Freedman sieht Prigoschin aber nun in direkter Konfrontation mit Putin.

Der britische Militärexperte Lawrence Freedman sieht in dem Marsch der Wagner-Söldnertruppe auf Moskau keinen Putsch oder Aufstand. "Es handelt sich aber sehr wohl um eine Meuterei", schreibt der frühere Professor für Militärstudien am King's College in London am Samstag auf seinem Blog.

Das "einzige Ziel" von Wagner-Anführer Jewgeni Prigoschin sei es nämlich, Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerasimow, der auch russischer Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Ukraine ist, "aus dem Weg zu räumen und die von ihnen im Krieg verfolgten 'Fleischwolf'-Strategien zu ersetzen", so Freedman.

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Nun hänge für Prigoschin "alles davon ab, ob seine Anschuldigungen bei den anderen Soldaten Gehör finden und er sie dazu bewegen kann, sich ihm anzuschließen oder sich zumindest zu weigern, gegen seine Männer zu kämpfen", kommentierte der Militärhistoriker und Politikwissenschaftler. "Im Großen und Ganzen hat Wagner mehr Disziplin und Elan an den Tag gelegt als viele andere russische Truppen, und es wäre nicht überraschend, wenn sie in einem Kampf die Oberhand gewinnen würden."

Nun aber in Konfrontation mit Putin

Der Militärexperte erteilt allerdings gleichzeitig Interpretationen der Ereignisse als geplanter Putsch zum Sturz der russischen Staatsführung eine Absage. Das sei offenbar nicht das Ziel des Wagner-Anführers gewesen. Freilich stehe Prigoschin nach der Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin vom Samstag, in der dieser - ohne ihn namentlich zu nennen - von "Verrat" und einem "(Dolch-)Stoß in den Rücken" gesprochen hatte, "in direkter Konfrontation mit dem russischen Präsidenten. Einer von ihnen wird der Verlierer sein".

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Prigoschin habe im Zuge des Ukraine-Krieges zunehmend an Präsenz und Bekanntheit in der russischen Öffentlichkeit gewonnen und zeige offenbar auch Interesse an einer politischen Karriere. "Das Allerwichtigste ist aber, dass er eine beträchtliche Anzahl von Männern befehligt - bis zu 25.000 sollen es sein, die an seinen aktuellen Manövern beteiligt sind."

Schwerer Schlag für Putin-Regime

Der Marsch der Wagner-Söldner auf Moskau wird nach Ansicht des Militärhistorikers einen schweren Schlag für das russische Regime bedeuten, egal wie es ausgeht. "Selbst wenn Wagner schnell besiegt wird, was ich nicht für selbstverständlich halte, ist dies ein großer Schock für das Regime und es wird geschwächt werden. Wenn die Konfrontation in die andere Richtung ausgeht, ist alles möglich und der Kreml könnte in Panik geraten", fasst Freedman die Unsicherheit der Situation zusammen. "Das Problem für Autokraten wie Putin ist, dass sie nicht wirklich wissen, was in ihrem Volk vor sich geht, und das verstärkt die Panik noch."

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