Wagner-Chef ruft zum Kampf gegen russisches Verteidigungsministerium auf

Wagner-Chef ruft zum Kampf gegen russisches Verteidigungsministerium auf
Zuvor hatte Prigoschin dem russischen Verteidigungsministerium vorgeworfen, seine Söldnertruppe bombardiert zu haben. Nach eigener Aussage marschiert er auf die russische Stadt Rostow am Don zu.

Militärfahrzeuge und Militärpolizei in der russischen Stadt Rostow am Don. Der Plan „Festung“ – ein Alarm, der gegeben wird, um einen Angriff abzuwehren – wurde in den Regionen Rostow und Moskau ausgerufen.

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Schuld daran: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, der Freitagabend zum Aufstand gegen den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu aufrief: „Das Übel der militärischen Führung des Landes muss gestoppt werden! Sie haben das Leben der Soldaten vernachlässigt, sie haben das Wort ‘Gerechtigkeit‘ vergessen und wir werden es zurückbringen! Diejenigen, die unsere Jungs heute zerstört haben, werden bestraft werden“, verbreitete der Söldnerkommandant über seinen Telegram-Account und rief russische Soldaten auf, ihm zu folgen. 

Etwa zwei Stunden später - gegen 01:00 Uhr Mitteleuropäischer Zeit - meldete sich der Wagner-Chef erneut über Telegram und erklärte, dass sich seine Kämpfer der Stadt Rostow am Don näherten und fügte hinzu: "Wir gehen noch weiter. Wir werden bis zum Ende gehen."

Es gab keine unmittelbare Bestätigung dafür, dass sich seine Truppen tatsächlich der Stadt näherten.

Chaos und Unklarheit

Elemente der regulären russischen Einheiten scheinen sich auf die Seite von Wagner gestellt zu haben – die Nachrichtenlage ist noch unklar, in russischen Medien wie anderen Nachrichtenkanälen herrscht Chaos. "Nach den fieberhaften Aktionen einzelner Beamter zu urteilen, ist die Eskalation des Konflikts zwischen Prigoschin und Schoigu fast ebenso sehr ein Crashtest des gesamten russischen Staatssystems wie der Beginn der "speziellen Militäroperation" (als diese bezeichnet Russland seinen Angriffskrieg)", schrieb etwa der für gewöhnlich gut informierte Nachrichtenkanal Rybar.

Bombardierungs-Vorwürfe

Zuvor hatte Prigoschin dem russischen Verteidigungsministerium vorgeworfen, seine Söldnertruppe bombardiert zu haben. Durch die Angriffe sei eine „sehr große“ Zahl an Wagner-Söldnern getötet worden, erklärte er. 

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Videos, die er dazu veröffentlichte, erwecken Zweifel – Leichen sind darauf etwa keine zu sehen. „Er benutzte Schützen und Piloten in Helikoptern, um uns im Dunkeln zu zerstören“, heißt es in der Telegram-Nachricht. Schoigu sei dafür extra nach Rostow am Don an der Grenze zur Ostukraine gereist. Der Konflikt zwischen dem Wagner-Chef und Schoigu dauert bereits Monate an, eskalierte immer mehr. 

Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte er knapp nach der Eroberung Bachmuts, als die Wagner-Gruppe einen russischen Oberstleutnant festnahm, verhörte und verprügelte. Er soll auf Kämpfer von Wagner geschossen haben. 

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Kurz nach Prigoschins Botschaft am Freitagabend leitete der russische Inlandsgeheimdienst FSB ein Strafverfahren wegen eines Aufrufs zur bewaffneten Meuterei nach Äußerungen von Jewgeni Prigoschin ein. 

„Wagner-Kämpfer sollen Prigoschins kriminelle Befehle missachten und Maßnahmen ergreifen, um ihn festzunehmen“, ließ der Geheimdienst verlautbaren. Kremlsprecher Dmitri Peskow vermeldete, der russische Präsident Wladimir Putin sei über alle Entwicklungen rund um Prigoschin informiert worden. „Es werden die notwendigen Maßnahmen ergriffen“, sagte er. Welche das genau sind, ließ er offen. "Dies ist ein Dolchstoß in den Rücken des Landes und des Präsidenten", sagte General Wladimir Aleksejew, der stellvertretende Leiter des russischen Militärgeheimdienstes, in einem Videoappell an Prigoschins Kämpfer, in dem er sie aufforderte, eine Rebellion abzubrechen. "Dies ist ein Staatsstreich".

Putins „Bluthund“

Die Frage, wie einflussreich Prigoschin tatsächlich ist, treibt Experten seit Langem um. Den steigenden Einfluss in Afrika verdankt Russland zu einem großen Teil seiner Söldnertruppe, die unter anderem in Mali und der Zentralafrikanischen Republik operiert. 

Im Ukraine-Krieg haben Prigoschin und dessen Söldner die Stadt Bachmut erobert – und damit die einzige signifikante russische Eroberung seit Sommer vergangenen Jahres erzielt. Dazu kommt, dass Putin seine verschiedenen Eliten nicht zu einig werden lassen will – die russische Geschichte hat gezeigt, dass ein zu starkes Militär für die Führung gefährlich wird.
„Marsch auf Moskau“ Dies könnte ein Grund sein, warum Prigoschin so lange ungestraft wüsteste Beschimpfungen gegen die militärische Führung aussprechen durfte. Das „Teile-und-herrsche-Prinzip“ stand bei Putin von Anfang an auf der Tagesordnung.

Jetzt allerdings scheint sich das Ganze verselbstständigt zu haben. Prigoschin selbst, der seit Kurzem massiv aufgeholt hat und in Beliebtheitsrankings Ex-Premier Dmitrij Medwedew hinter sich gelassen hat, gab sich über seine Ambitionen bisher mehr als kryptisch. Jenen, die munkeln, er wolle mit seinen Männern die Macht in Russland an sich reißen, ließ er jetzt ausrichten: „Der Marsch auf Moskau? Ein interessanter Gedanke – den ich noch nicht angedacht habe“, sagte er vor Kurzem.

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