Beim China-Afrika-Forum in Peking verkündete Xi Jinping weitere 45 Milliarden an chinesischen Investitionen. Der KURIER fragte beim Ökonomen Holger Görg nach, wie sich dieses Geld auswirkt.
Es sind Zahlen, die man sich kaum vorstellen kann: Mehr als 100 Häfen, 1.000 Brücken und 10.000 Kilometer Bahnstrecke sollen chinesische Firmen in Afrika gebaut haben – in nur acht Jahren. Kein Wunder also, dass am Donnerstag Vertreter aus 54 afrikanischen Staaten zum pompös inszenierten „China-Afrika-Forum“ nach Peking kamen.
In seiner Eröffnungsrede kündigte Chinas Machthaber Xi Jinping weitere Investitionen in Höhe von 45 Milliarden Euro an, die diesmal verstärkt in „kleinere, attraktive Projekte“ in Afrika fließen sollen. Seit Jahren hat sich China, das sich selbst als „größtes Entwicklungsland“ der Welt begreift, auf dem Kontinent eine Führungsrolle erkauft.
Neue Seidenstraße Unter diesem Namen rief Chinas Präsident Xi Jinping kurz nach Amtsantritt 2013 eine neue Investitionsstrategie aus: China werde großzügig Kredite an Länder in Asien, Europa und Afrika vergeben, damit chinesische Firmen dort Infrastruktur bauen können.
Schuldenfalle? Mit Ländern, die in Zahlungsverzug geraten, verhandelt China nach – und erlässt zum Beispiel Schulden für politische und wirtschaftliche Gegenleistungen. Das sorgt im Westen für Kritik.
153 Milliarden Euro soll China bis 2022 in Afrika investiert haben. Nun sollen weitere 45 Mrd. dazukommen.
Profitieren afrikanische Staaten von Chinas wachsendem Einfluss? Oder werden sie von der nächsten Großmacht ausgenützt? Der KURIER fragte beim deutschen Ökonomen Holger Görg nach, der seit Jahren zu internationalen Investitionen forscht.
KURIER:Welche Interessen verfolgt China in Afrika?
Holger Görg: China versucht seine geopolitische Stellung im Vergleich zu den USA zu verbessern. Da ist Afrika ein ganz wichtiger Standort. Auch, weil der Kontinent von den westlichen Ländern vernachlässigt wird. Es geht um geopolitischen Einfluss.
Holger Görg leitet die Abteilung Internationaler Handel und Investitionen am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Aber geht es auch um wirtschaftliche Interessen?
Afrika ist ein Kontinent mit sehr großem Potenzial. Es gibt eine sehr junge Bevölkerung und Länder, die sehr stark wachsen. Klar, dass China versucht, schon früh ein Standbein aufzustellen. Afrika ist auch ein wichtiger Absatzmarkt, um Überkapazitäten abzubauen, etwa bei grünen Technologien wie Solarzellen. Der Westen geht ja gerade mit Importzöllen gegen E-Autos aus China vor.
Klare Antworten dazu haben wir nicht, weil es schwierig ist, Daten zu bekommen. Wir wissen nicht genau, was die Konditionen der Kredite sind, sie sind nicht transparent. Das ist aber generell so, nicht nur in China.
Bei westlichen Krediten ist es also nicht anders?
Analysen zeigen, dass westliche Länder eher Kredite an ressourcenarme und hoch verschuldete afrikanische Länder vergeben. Da steckt auch eine entwicklungspolitische Perspektive dahinter. China setzt verstärkt auf Länder, bei denen es sich wirtschaftlich lohnt, zu investieren.
Welche Rolle spielt der Zugriff auf Rohstoffe?
Eine große. Wenn es um grüne Produkte geht, etwa Akkus oder Solarzellen, sind wir auf bestimmte Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium angewiesen. China hat da bereits seit Längerem ein Auge darauf geworfen, Europa hat das verschlafen.
Die Investitionsstrategie hat sich geändert – weg von Infrastrukturprojekten und hin zu „kleineren Projekten“?
China hat schon einiges getan. Zuerst ging es darum, mit großen Infrastrukturprojekten Zeichen zu setzen. Jetzt geht es um wirtschaftliche Interessen. Das lässt sich mit kleineren, gezielten Projekten besser erreichen. Auch, weil Chinas Wirtschaft nicht mehr so stark wächst.
Wie profitieren afrikanische Staaten?
Es gibt Studien, die zeigen, dass sich der Handel zwischen China und den Ländern, in die investiert wurde, erhöht hat. Es geht in beide Richtungen, das ist positiv. Welche Effekte es auf Armut und Einkommen hat, wissen wir noch nicht wirklich.
Es gibt das Vorurteil, dass chinesische Unternehmen viele eigene Arbeiter einsetzen. Wurden eigentlich viele Jobs generiert?
Das ist tatsächlich ein Vorurteil. Wir haben 2022 eine Befragung in Äthiopien und Ghana durchgeführt und gesehen, dass ausländische Unternehmen in der Regel 80 bis 90 Prozent an einheimischen Beschäftigten haben, egal aus welchem Land sie kommen.
In ganz Afrika sind große Infrastrukturbauten, wie diese Brücke in der ivorischen Hauptstadt Abidjan: Made in China.
Wie wirken sich die chinesischen Investitionen auf die afrikanische Fertigungsindustrie aus?
China wird teurer. Es ist deshalb im chinesischen Interesse, nach billigeren Standorten Ausschau zu halten. Auch da könnte Afrika für China in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Aber auch für europäische Unternehmen wäre Afrika eine große Chance. Gerade auch, weil wir dabei sind, uns von China abzukoppeln und die Fertigung woanders durchführen zu lassen.
Warum überlassen westliche Staaten China das Feld?
Es hat vielleicht auch ein bisschen mit Arroganz und Lethargie zu tun, das rächt sich jetzt. Wir brauchen den Kontinent für Rohstoffe und auch, weil wir neue Absatzmärkte suchen müssen. Es ist spät, aber es ist nicht zu spät.
Welche Möglichkeiten hat Europa?
Europa muss sich darüber klar werden, dass Afrika ein wichtiger und wirtschaftlich interessanter Kontinent ist und kein Fall für die Entwicklungshilfe. Es ist in vieler Hinsicht ein idealer Standort. Das muss sich aber auch in unserer Handelspolitik reflektieren.
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