Dschibuti: Chinas Steigbügelhalter im Kampf um Afrika
Peking investiert Milliarden in das kleine ostafrikanische Land. Das träumt davon, das Singapur Afrikas zu werden - während der Westen Neo-Kolonialismus wittert.
"Auf einem Berg können nicht zwei Tiger gleichzeitig existieren", besagt ein altes chinesisches Sprichwort. Eine treffende Metapher, denn China, das vor Jahren in Afrika noch keine Rolle spielte, expandiert und investiert dort aktuell wie keine andere Großmacht. Ein weiterer Ausdruck des chinesischen Anspruchs, die USA irgendwann als mächtigste Nation der Welt abzulösen.
Afrika gilt als Kontinent der Zukunft - aufgrund seiner Bodenschätze, aber auch aufgrund des unvergleichlichen Bevölkerungswachstums. Momentan leben dort knapp 1,5 Milliarden Menschen, Forscher gehen davon aus, dass es im nächsten Jahrhundert viermal so viele sein werden.
China plant langfristig: Im Zuge der "One Belt, One Road"-Initiative, die auch als "Neue Seidenstraße" bezeichnet wird, verstärkt der "Drache" seinen Einfluss durch den Auf- und Ausbau von Infrastruktur in Entwicklungsländern, um die wertvollen Rohstoffe möglichst effizient fördern und transportieren zu können. Schon jetzt kommen etwa ein Drittel der chinesischen Ölimporte aus Afrika, Tendenz steigend.
Pekings wichtigster Verbündeter im Kampf um die Vormachtstellung in Afrika ist ein Land, das nur in etwa so groß ist wie Niederösterreich und das Burgenland zusammen: Dschibuti.
In der Mini-Republik, die bis 1977 noch unter französischer Kolonialherrschaft stand, leben nur knapp 865.000 Menschen, alleine eine halbe Million davon in der gleichnamigen Hauptstadt.
Dschibuti ist ein armes Land ohne nennenswerte Bodenschätze, die Wirtschaft wächst im Vergleich zu den großen Nachbarstaaten Äthiopien, Somalia und Eritrea nur langsam (2019: 4,6%). Ausgerechnet hier errichtet Peking aktuell in mehreren Phasen eine 48 Quadratkilometer große Freihandelszone für knapp 3,5 Milliarden US-Dollar. Was also macht diesen kleinen Fleck Wüste für China so wertvoll?
Dschibutis Alleinstellungsmerkmal war und ist seine strategisch wertvolle geographische Lage an der Meerenge Bab al-Mandab, wo die arabische Halbinsel und das sogenannte Horn von Afrika nur 27 Kilometer weit auseinander liegen. Alle Schiffahrtslinien, die Europa mit dem Indischen Ozean verbinden, führen hier durch. Nur die wirklich großen Tanker müssen für diese Strecke den gesamten afrikanischen Kontinent und damit das Kap der guten Hoffnung umschiffen.
Seit seiner Unabhängigkeit wurde Dschibutis einzigartige Lage von der Weltgemeinschaft zunächst hauptsächlich zum Kampf gegen Piraterie genutzt, für die der Bab al-Mandabein weltweiter Hotspot ist. Die EU-Anti-Piraterie-Mission ATALANTA unterhält ihren Stützpunkt beispielsweise hier.
Der Umschlaghafen des Landes wurde in den letzten Jahren mithilfe chinesischer Arbeiter, Technologie und viel Geld modernisiert, er ist essentiell für Dschibutis Nachbarn - vor allem für Äthiopien, das keinen Meereszugang hat und folglich mehr als 80 Prozent seines Außenhandels in Dschibuti-Stadt abwickelt.
Die Hauptstadt beherbergt seit Jahren Militärstützpunkte von Frankreich, Italien, Japan und Deutschland - aber auch Camp Lemonnier , mit 5.000 stationierten Soldaten die größte US-Militärbasis in ganz Afrika. Seit 2017 unterhält auch China hier seinen ersten Stützpunkt im Ausland – mit knapp 10.000 Soldaten.
Der bedeutsame Hafen beruht inzwischen völlig auf chinesischer Technologie, steht also quasi unter chinesischer Kontrolle. Die stationierten Soldaten sorgen schon alleine als Drohgebärde dafür, dass das auch künftig so bleibt.
Die Einnahmen aus diesem Hafen und den ausländischen Militärstützpunkten machen einen Großteil des BIP in dem ansonsten verarmten Land aus. Langzeit-Präsident Ismail Omar Guelleh, der das Amt 1999 von seinem Onkel übernommen hatte, begrüßt die chinesische Einflussnahme daher und zeigt sich regelmäßig mit chinesischen Vetretern.
Guellehs Langzeit-Ziel? Er will aus Dschibuti das "SingapurAfrikas" machen – einen sicheren Ort für Investoren und ausländische Großunternehmen. Dass sich Dschibuti durch dieses ambitionierte Vorhaben inzwischen - vor allem gegenüber China - hoch verschuldet hat, ist Nebensache. Dass Peking weniger auf das Wohl der dschibutischen Bevölkerung und mehr auf den wachsenden Markt in Äthiopien aus ist, ebenfalls.
Westliche Unkenrufe, wonach China „Neo-Kolonialismus“ betreibe, tut Guelleh regelmäßig ab. “Ich verstehe die Aufregung der Europäer nicht”, sagte er beispielsweise gegenüber deutschen Medien. “Warum investiert der Westen nicht so viel? Ich kann ein gutes Geschäft nicht ablehnen, nur weil es China ist.”
Mit dieser Sicht der Dinge steht er nicht alleine da. "Der Westen sieht vor allem Konkurrenz, die Bevölkerung in Afrika sieht aber vor allem das Ergebnis", sagt etwa Edith Predorf, die Außenwirtschaftsdelegierte der österreichischen Wirtschaftskammer in Ostafrika. "Wir sollten uns mehr auf die eigenen Stärken konzentrieren und weniger mit dem Finger auf China zeigen."
China ist für Guelleh, der wegen seines willkürlichen Führungsstils im Ausland in der Kritik steht, jedenfalls ein praktischer Partner. Hinsichtlich Dschibutis Missachtung von Demokratie und Menschenrechten werden Guelleh aus Peking eher keine unangenehmen Fragen erreichen.
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