Äthiopien: Friedensnobelpreisträger kämpft an mehreren Fronten

Äthiopien: Friedensnobelpreisträger kämpft an mehreren Fronten
Premier Abiy, der als Hoffnungsträger Afrikas gilt, wird nach der heutigen Ehrung in Oslo noch einen langen Atem brauchen.

„Ja, als Äthiopier bin ich schon stolz, dass unser Premier den Friedensnobelpreis erhält. Ich hoffe, dass die Auszeichnung unser Land motiviert, weiter nach vorne zu schreiten, denn es ist schon noch viel zu tun. Vor allem gilt es, die ethnische Spannungen (die sich immer wieder in Blutbädern mit Toten entladen) abzubauen“, sagt Hailemariam Medhin, Salesianer-Provinzial in dem ostafrikanischen Land. Der Premier, das ist Ahmet Abiy, der wegen seiner Aussöhnung mit Eritrea und Reformen nach innen am Dienstag den Preis in Oslo entgegennehmen wird. Und als politischer Hoffnungsträger des Kontinents gilt.

Äthiopien: Friedensnobelpreisträger kämpft an mehreren Fronten

Salesianer-Pater Hailemariam Medhin weiß, was seine Landsleute in Äthiopien am dringendsten brauchen

Tatsächlich habe sich seit dem Amtsantritt der Regierung im April 2018 viel getan, wie der Leiter der Österreichischen Entwicklungsagentur in der Hauptstadt Addis Abeba, Stefan Hlavac, 44, im KURIER-Interview bestätigt: Die Zivilgellschaft, vor allem die NGOs, habe deutlich mehr Rechte, die Presse, die während des alten Regimes Repressionen ausgesetzt war, erfreue sich neuer Freiheiten, Tausende politische Gefangene seien entlassen und Frauenrechte gestärkt worden: „So ist die Hälfte des Kabinetts weiblich, zudem gibt es eine Staatspräsidentin und eine oberste Richterin“, betont der Tiroler.

Hauptproblem: Es fehlen Jobs

Laut seinen Worten ist die größte Herausforderungen, Jobs zu schaffen. „Jährlich drängen 300.000 bis 400.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt“, veranschaulicht Hlavac das Problem. Das sieht auch der Salesianerpater so, der zwar (nicht zuletzt durch die Schaffung von Industrieparks) einen Wirtschaftsboom beobachtet und ein langsames Entstehen einer Mittelschicht, zugleich aber auch eine Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich.

Äthiopien: Friedensnobelpreisträger kämpft an mehreren Fronten

Stefan Hlavac ist für die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit in Äthiopien tätig

Hier setzen der Ordensprovinzial und seine Mitstreiter an, die von der österreichischen entwicklungspolitischen NGO „Jugend Eine Welt“ unterstützt und von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit teilfinanziert werden: „Wir versuchen die jungen Menschen mit Schulungen und Ausbildungen berufsfit zu machen, etwa in Form eines Elektrotechnik-Trainings, das auch eine Solarsparte hat.“

Dies sei umso wichtiger, als auch in Äthiopien mehr und mehr Menschen emigrieren wollen. Die Salesianer halten dagegen, gehen in die Dörfer und in die Schulen und versuchen die Burschen und Mädchen vor falschen Klischees zu warnen, denen sie oft aufsitzen. Dennoch machen sich weiterhin Tausende auf den Weg. Pater Medhin dazu: „Die Schlepper sind offenbar geschickter als wir. Manche erzählen sogar, dass Flugzeuge aus Europa kommen und die Migranten aus Libyen abholen würden“, so der Geistliche bei einem Wien-Besuch zum KURIER.

Von Klimakrise hart getroffen

Schlimm betroffen ist das 100-Millionen-Einwohner-Land im Osten Afrikas vom Klimawandel. „Vor allem Dürren, aber auch Überflutungen machen den Bauern zu schaffen. Dazu muss man wissen, dass 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben“, erläutert Stefan Hlavac.

Äthiopien: Friedensnobelpreisträger kämpft an mehreren Fronten

In Äthiopien ist die Freude groß, dass Ahmet Abiy mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde

Mit seinem Team und NGOs versucht er, die kleinbäuerliche Struktur widerstandsfähiger zu machen: „Mit resistenteren Pflanzungen, verbesserten Anbaumethoden, aber auch mit einer effizienteren Wertschöpfungskette, damit den Familien mehr Geld im Börsel bleibt und sie so auch schwierigere Zeiten überstehen.“

Alte Bande Österreich-Äthiopien

Ein weiteres Ziel des österreichischen Engagements in Äthiopien, das schon 26 Jahre lang ein Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ist: die Stärkung der Rechte der Frauen, damit sie künftig im wirtschaftlichen wie politischen Leben noch mehr mitmischen können – was wohl ganz im Sinne des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers sein dürfte.

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