Europa im Hintertreffen: Was China in Afrika besser macht

Chinesische Firmenchefs besichtigen eine Baustelle
Peking erkennt das Potenzial des Kontinents, der Westen sieht ihn vor allem als Hilfsempfänger. Zwei Expertinnen im Interview.

18 Stunden: so lang konnte es noch vor zwei Jahren dauern, mit dem Zug die 500 Kilometer zwischen Nairobi und der Hafenstadt Mombasa zurückzulegen. Heute sind es knapp unter fünf Stunden. Der Grund dafür ist China.

2013 bis 2017 errichtete ein Staatsunternehmen die Bahnstrecke in Kenia neu. Kostenpunkt: Vier Milliarden Dollar, zu 90 Prozent finanziert durch chinesische Darlehen.

Europa im Hintertreffen: Was China in Afrika besser macht

Eröffnung der Bahnstrecke

Derartige Projekte findet  man in ganz Afrika. In Infrastruktur wird ebenso investiert wie in Agrarland, Rohstoffgewinnung und Produktionsstätten. Peking spricht von einer „Win-win“-Situation.

Der Westen warnt vor einer Abhängigkeit Afrikas von China, das nur an Profit interessiert sei, nicht aber an einer wirtschaftlichen Entwicklung seiner Partnerländer.

"Machen kein Gegenangebot"

Die Ökonomin Anzetse Were, die auf Einladung des Wiener Instituts für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit Österreich besuchte, sieht das differenziert – und spart ihrerseits nicht mit Kritik an westlichen Regierungen.

Europa im Hintertreffen: Was China in Afrika besser macht

Anzetse Were

„Bevor China kam und signifikant in Energie und Transportkorridore investierte, gab es bis auf  Institutionen wie Weltbank und  Afrikanische Entwicklungsbank kaum große Investoren. China sah diese Lücke“, analysiert die Kenianerin im KURIER-Gespräch.

Hier ortet die Expertin ein klares Versäumnis westlicher Politiker: „Sie beschweren sich oft über die Finanzierung der Infrastruktur durch China und über die Qualität der Projekte“, sagt Were. Ein ernst zunehmendes Gegenangebot werde aber nicht gemacht.

Zwischen 1995 und 2016 stiegen Chinas Exporte nach Afrika (vor allem Maschinen, Elektronik und Konsumgüter) um das 25-fache auf 80 Milliarden Euro an. Die Exporte Frankreichs, der USA und Deutschlands verdoppelten sich laut Wirtschaftskammer nur und lägen unter 30 Milliarden Euro. Österreichs Exporte betragen 1,7 Mrd. Euro.

"Brauchen kein schickes Hotel"

China hat laut Were große Vorteile: Es sei schnell, nicht teuer, Chinesen arbeiteten auch unter schwierigen Bedingungen. „Die brauchen kein schickes Hotel.“

Entscheidend sei aber vor allem eines: Chinas Einstellung. „Europa setzt Afrika gleich mit Korruption, Armut, Epidemien. China sagt: Afrika ist eine große Möglichkeit“. Chinesische Firmen würden ihre Produkte an den Markt anpassen, etwa Kameras produzieren, deren Belichtung auf dunklere Haut angepasst sei.

Europa schottet sich ab

Auch andere Länder des „globalen Südens“, wie Were aufstrebende Supermächte wie Indien und Brasilien nennt, hätten die Chancen erkannt und seien an Zusammenarbeit interessiert. Ganz im Gegensatz zu EU und USA, die sich abschotteten. Stichwort Brexit, Festung Europa und „America first“.

Were sieht allerdings auch die Schattenseiten der Kooperation mit China: Afrika exportiere vor allem Rohstoffe und importiere fertige Waren, das ergebe ein großes Handelsdefizit. Die Finanzierung vieler Projekte sei intransparent, private chinesische Firmen agierten auch oft intransparent.

Das vom Westen vorgebrachte Argument, China schaffe keine Jobs in Afrika, stimme allerdings nicht.  „Studien sagen, dass die große Mehrheit der Arbeiter in den chinesischen Fabriken Einheimische sind.“

Jue Wang stimmt dem zu. „Bis in die späten 80er-Jahre war die wichtigste Verbindung zwischen China und Afrika die Entwicklungshilfe“, sagt die in den Niederlanden forschende chinesische Wirtschaftswissenschaftlerin. „Wenn damals gebaut wurde, kamen tatsächlich chinesische Arbeiter und gingen dann wieder.“

Europa im Hintertreffen: Was China in Afrika besser macht

Jue Wang

Heute sei das Geschäft Profit-getrieben, sagt Wang – und lokale Arbeitskräfte seien schlicht billiger als chinesische. Chinesen investierten mittlerweile in alle Wirtschaftsbereiche und brächten nicht mehr nur Geld wie früher, sondern auch Technologien und Managementkenntnisse.

Chancen für Europa

In einigen Sektoren, besonders im Dienstleistungsbereich, seien europäische Investoren weiter im Vorteil, meint Wang.

Auch Anzetse Were sieht Chancen: „Ich sehe das Bemühen Europas, sich wieder mehr zu engagieren. Was mir gefällt ist, dass Europa sich auf die Entwicklung des Privatsektors konzentriert, Unternehmen helfen will, Fähigkeiten zu entwickeln und Jobs zu schaffen. Ein Wettbewerbsvorteil gegenüber China ist auch, dass Europa viel mehr Ergfahrung in Afrika und vielfältige Finanzierungsmöglichkeiten hat."

 

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