Experte: Frieden wäre für Putin "eine vernichtende Niederlage"

Experte: Frieden wäre für Putin "eine vernichtende Niederlage"
Warum Politikwissenschaftler Mangott keine Chance auf einen Waffenstillstand sieht und die Verhandlungen "nur zum Schein" geführt werden.

Am Montag trafen sich zu Mittag Regierungsvertreter aus Moskau und Kiew an der ukrainisch-belarussischen Grenze zu Friedensverhandlungen. Der auf dem Papier übermächtige Aggressor Russland gibt sich also gesprächsbereit – ein Versuch des Präsidenten Wladimir Putin, das Blutvergießen zu beenden und einen Frieden zu erzwingen?

„Nein. Man sollte sich von diesen Friedensverhandlungen eigentlich gar nichts erwarten“, meint der Politikwissenschafter und Russland-Experte Gerhard Mangott zum KURIER.

Das zeige schon ein Blick auf die jeweiligen Delegationen: Während aus Kiew unter anderem Verteidigungsminister Olexij Resnikow und der stellvertretende Außenminister Mykola Totschyzkyj anreisten, wurde das russische Verhandlungsteam vom ehemaligen russischen Kulturminister Wladimir Medinski angeführt – den man nicht einmal in der zweiten Reihe der russischen Führung verorten würde.

„Putin muss jetzt siegen“

Aus Sicht Mangotts zeigt das, dass die russische Seite die Gespräche nur zum Schein führt: „Putin hat den Verhandlungen in erster Linie zugestimmt, um dem eigenen Volk zeigen zu können, dass man es auch auf friedlichem Weg versucht hat.“ Die Forderungen nach einer Entmilitarisierung und "Entnazifizierung" der Ukraine dienen als Vorwand und seien uneinlösbar.

In Wahrheit sei ein Frieden für den Kreml-Chef aber keine Option mehr. Zu lange sei auf diesen Krieg hingearbeitet worden, zu deutlich seien die ausgerufenen Ziele, zu groß der Unterschied zwischen der militärischen Stärke der beiden Kriegsparteien.

„Ich sehe überhaupt keinen gesichtswahrenden Ausweg für Putin aus diesem Krieg. Alles andere als ein militärischer Sieg mitsamt der Eroberung Kiews würde ihm als vernichtende Niederlage ausgelegt werden“, so Mangott. Und zwar nicht zwingend in der breiten russischen Bevölkerung, sondern aus Sicht „der Militär- und Geheimdienstelite in Russland“.

Zudem würde ein jähes Kriegsende ohne russischen Sieg, unter welchen Bedingungen auch immer, wohl dazu führen, dass sich die Ukraine noch stärker westlich ausrichten würde als zuvor. „Das Ergebnis wären wohl deutlich ernstere Bestrebungen, schnellstmöglich der EU und der NATO beizutreten“, sagt Mangott.

Und nach dem Krieg?

Völlig unklar ist für den ausgewiesenen Russland-Kenner weiterhin, was Putin nach einem möglichen Sieg überhaupt mit dem Nachbarland vorhabe. Selbst wenn die aktuelle ukrainische Regierung durch eine moskau-treue Marionettenregierung ersetzt werden würde – „die ukrainische Bevölkerung steht Russland feindlicher gegenüber als jemals zuvor.

Man müsste im Grunde das ganze Land langfristig militärisch besetzen, um auch nur annähernde Stabilität zu garantieren. Und trotzdem dürften militärischer Widerstand und ziviler Ungehorsam in weiten Teilen der Ukraine auf Jahre hinaus an der Tagesordnung stehen“.

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