Wie die EU einen Keil zwischen Putin und die Oligarchen treibt
Die EU lässt nicht locker – und überlegt, weitere russische Oligarchen auf die Liste der „Bösen“ zu setzen. Das bedeutet für die Superreichen in der Umgebung von Kremlchef Wladimir Putin eingeschränkte Reisefreiheit und vor allem gesperrte Auslandskonten. Da wird es dann so richtig ungemütlich für die Männer mit der an sich dicken Brieftasche. Und flugs wechseln sie die Seite.
"Ich bin Businessman mit Verantwortung für viele tausende Mitarbeiter in Russland und in der Ukraine. Ich bin überzeugt davon, dass Krieg niemals die Antwort sein kann.“ Das schrieb der Oligarch Michail Fridman an seine Angestellten – und stellte sich somit gegen Putins Krieg in der Ukraine.
Der 57-Jährige gilt mit seinem geschätzten Vermögen von 14 Milliarden Dollar als einer der reichsten Russen überhaupt – und könnte laut der Nachrichtenagentur Bloomberg als Nächster auf die Sanktionsliste kommen. Sein "big money" machte Fridman vor allem mit der größten Privatbank Russlands, der Alfa Bank.
Auch ein zweiter steinreicher Oligarch wandte sich jetzt gegen den Krieg in der Ukraine: Oleg Deripaska, der sich schon seit 2018 auf der US-Sanktionsliste findet, forderte Friedensgespräche "so schnell wir möglich". Der 54-Jährige, der laut Forbes auf ein Vermögen von knapp vier Milliarden Dollar kommt, gründete den Aluminium-Giganten Rusal.
Und Roman Abramovich soll auf Wunsch Kiews sogar als Vermittler aktiv werden, bestätigte ein Sprecher des russischen Oligarchen. Der 55-Jährige hatte am Wochenende die Verwaltung des englischen Champions-League-Siegers FC Chelsea abgegeben. Dem Milliardär war zuvor eine zu große Nähe zu Putin vorgeworfen worden.
"Die fortgeschrittenen Demokratien haben eine mächtige Waffe gegen das Putin-Regime: Sie könnten sich den riesigen Übersee-Reichtum der russischen Oligarchen krallen, die Putin umgeben, und ihm helfen, an der Macht zu bleiben", hatte der Ökonom Paul Krugman in der New York Times geschrieben. Und diese Waffe kommt jetzt offenbar flächendeckend zum Einsatz.
Insgesamt stehen schon mehr als 650 Russen auf der EU-Sanktionsliste, die nun auch von der Schweiz exekutiert wird. Zuletzt wurden auch Putin selbst und sein Außenminister Sergej Lawrow bestraft – sie dürfen zwar weiterhin reisen, aber etwaige Konten in der Union wurden wie die der übrigen von den Sanktionen Betroffenen gesperrt. Der Koch des Kremlherren steht ebenso auf der Liste wie Igor Iwanowitsch Schuwalow. Ihm soll unter anderem das schmucke Waldschlössl am Attersee gehören, samt 2,5 Hektar großem Grundstück.
Schuwalow hat eine beachtliche Polit-Karriere hinter sich. Er war von 2003 bis 2008 Vize-Chef der Präsidialverwaltung von Putin, danach zehn Jahre lang Vize-Ministerpräsident. 2018 wurde er Chef der Vneschekonombank, der staatlichen Bank für Außenwirtschaft. Geht es nach der EU, wird nun das Vermögen Schuwalows in Österreich eingefroren.
700 Milliarden Dollar im Ausland
Insgesamt bunkern reiche Russen ein Vermögen von mehr als der Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung im Ausland – das wären rund 700 Milliarden Dollar. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um den französischen Ökonomen Gabriel Zucman. Das Geld liege auf Banken, sei in Aktien angelegt worden, in Luxusimmobilien geflossen oder in den Kauf von Firmenteilen.
„Wir werden alle russischen Persönlichkeiten ausmachen, die in Frankreich Besitztümer haben und die wegen ihrer Regierungsnähe zu den EU-Sanktionen hinzugefügt werden können“, kündigte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire am Montag in Paris sogar weitere Maßnahmen an: „Wir werden juristische Mittel nutzen, um all diese Güter zu konfiszieren."
Wenn die Oligarchen von diesem Luxusleben abgeschnitten werden, würden sie sich schnell gegen das Moskauer Regime stellen, von dem sie bisher profitiert hätten, so das Kalkül der Europäischen Union, das aufzugehen scheint.
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