Nicht die Migration, sondern das größte Klimaschutzprogramm in der amerikanischen Geschichte bereitete den meisten EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag die schmerzlichsten Sorgen: Knapp 360 Milliarden Euro wollen die USA in den nächsten Jahren darauf aufwenden, um ihre Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit umzurüsten.
Das Problem dieses Programmes mit dem irreführenden Namen „Inflations-Verringerungsgesetz“ („Inflations Reductions Act“): Mit Subventionen und Steuererleichterungen gefördert werden nur Unternehmen, die in den USA produzieren. Oder deren Produkte, deren Bestandteile fast nur aus den USA stammen.
Bereits im Jänner wird das US-Gesetz in Kraft treten – und umso lauter läuten nun in Europa die Alarmglocken. Denn für europäische Unternehmen bedeutet dies massive Wettbewerbsnachteile: Ihre Produkte wie etwa E-Autos wären in den USA nicht mehr konkurrenzfähig, weil zu teuer. Und Unternehmen könnten überlegen, ihre Produktion in die USA auszulagern – zumal auch die Energiepreise in den USA niedriger sind.
Abwanderung
„Wir befinden uns in Europa an einem Punkt, an dem wir Gefahr laufen, de-industrialisiert zu werden“, warnte Belgiens Premier Alexander De Croo. Aber eine gemeinsame Antwort, wie die EU auf diese Herausforderungen Washingtons kontern will, ließ sich beim EU-Gipfel gestern nicht finden. Zu weit gehen die Vorstellungen auseinander. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron etwa setzte auf mehr eigene staatliche Subventionen für Europa. Seine Forderungen gehen in Richtung „kauft europäisch“ – was wiederum Nachteile für nicht-europäische Produkte bedeuten würde. Auch Rufe nach Strafzöllen für US-Produkte wurden laut.Solch ein Vorgehen aber, so befürchtet es nicht nur die EU-Kommission, würde geradewegs in einen Handelskrieg mit den USA führen. Das aber will man in Brüssel unbedingt vermeiden. Und so schlug EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vor: Das bisher strenge Beihilfenrecht in der EU solle Anfang nächsten Jahres gelockert werden.
Das aber wiederum treibt ärmere Staaten in der EU auf die Palme: Nicht jedes Land habe so „prall gefüllte Taschen wie Deutschland“, könne also die eigene Industrie nicht so massiv unterstützen. Doch einen neuen, großen europäischen Fördertopf, wie ihn von der Leyen ebenfalls vorschlug, will wiederum Deutschland nicht.
Die EU-Staats- und Regierungschefs forderten nun die EU-Kommission auf, im Jänner Vorschläge zur „Mobilisierung der einschlägigen nationalen und EU-Instrumente und zur Verbesserung der Investitionsbedingungen“ zu unterbreiten, wie ein EU-Beamter erklärte.
Darüber hinaus solle die Brüsseler Behörde eine Strategie zur Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität bis Anfang 2023 vorlegen.
Kommentare