Ein entsprechender Vorschlag sei zwischen Paris und Berlin abgesprochen worden und soll beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister am Donnerstag diskutiert werden. Detail am Rande: Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) wusste anscheinend nichts von dem Vorstoß. Er meldete „Diskussionsbedarf“ an.
Allen regierungsinternen Intrigen zum Trotz ist das Ziel des Plans und der emsigen Telefonate klar: Europa will nach dem Schweigen des Kontinents in Syrien und dem Nahen Osten wieder eine Rolle spielen. Nicht zuletzt vor allem auch aus einem Grund: Hat man es doch auch mit einem internationalen Konflikt direkt vor der eigenen Haustüre zu tun – dem Krieg in der Ukraine. Und einen Hebel zu dessen Beilegung sehen Beobachter und Diplomaten vor allem in einem möglichen Abtausch an Interessen in Nahost.
Aus dem Kreml hieß es am Dienstag, man werde den Vorschlag Kramp-Karrenbauers prüfen. Eine Meinung habe man noch nicht, so Putin-Sprecher Dmitri Peskow. Das war knapp vor dem Treffen Putins und Erdoğans im russischen Sotschi.
Denn obwohl Russland und der NATO-Staat Türkei in Syrien komplett konträre Ziele verfolgen, scheinen die Gesprächskanäle zwischen Moskau und Ankara derzeit weit offener zu sein als zwischen Ankara und westlichen Hauptstädten. Vor allem, dass die Türkei zuletzt ein russisches Luftabwehr-System erwarb, hatte für Ärger in der NATO gesorgt. Und ebenso einhellig war die Kritik westlicher Staaten an der türkische Invasion in Nordsyrien – auch wenn diese weitgehend ohne politische Folgen blieb.
Russland hingegen hat prinzipiell Verständnis formuliert für den türkischen Wunsch nach einer Pufferzone in Nordsyrien. Zugleich hat Moskau aber auch Bedenken geäußert: Etwa, dass die türkische Militäraktion zu keinem Wiedererstarken der Terrormiliz IS führen dürfe.
Nicht zuletzt aber war es der Druck Russlands auf die Kurden in Nordsyrien, die sich so zu einem befristeten Waffenstillstand bereit erklärten, der am Dienstagabend auslief. Bis Ablauf der Frist sollten laut türkischer Forderung alle Verbände der kurdisch dominierten SDF aus einer 30 Kilometer breiten Zone entlang der Grenze zur Türkei abziehen.
Die USA sehen sich zwar als Architekten der Feuerpause. Aber es war Russland, das die Kurden gedrängt hatte, den Dialog mit der syrischen Regierung aufzunehmen. Dadurch standen der Türkei in Syrien mit einem Mal Kurden in Allianz mit der syrischen Armee gegenüber.
Russland hat in Syrien die besten Karten – während sich die westlichen Staaten praktisch aus dem Rennen genommen haben im Feilschen um die Zukunft der Region. Und das verschafft der russischen Führung den Vorteil, auf vielen Ebenen Druck machen zu können: vor allem auch, wenn es um eine neue Verfassung für Syrien geht. Gespräche darüber sollen am 30. Oktober in Genf starten.
Was Kramp-Karrenbauers Plan angeht, so ist die nächste Hürde die SPD. Dann die NATO. Und dann soll auf UN-Ebene beraten werden.
In Sotschi wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Am Abend lief die Feuerpause aus. Und Erdoğan hat angekündigt: Man werde „die Köpfe der Terroristen zerquetschen“, sollten sich diese nicht beugen. Europa droht erneut von der Realität überholt zu werden.
Kommentare