Ungarn und das Veto als "Werkzeug der Verhandlungsstrategie"
Die Europäische Union suchte dieser Tage nach einer gemeinsamen Postition gegenüber Hamas und israelischer Armee. In einer Videokonferenz fanden die EU-Außenminister am Dienstagabend einen Wortlaut, der die Forderung nach einem „sofortigen Stopp aller Gewalt“ und nach der „Umsetzung einer Waffenruhe“ beinhaltete.
Doch nicht alle Minister wollten die Erklärung unterzeichnen. Die ungarische Regierung bediente sich eines in den vergangenen Jahren immer beliebter gewordenen Werkzeuges der EU-Politik: Dem Veto. Es schloss sich der gemeinsamen Erklärung nicht an.
Große Enttäuschung
„Ganz ehrlich, ich kann nicht verstehen, wie ein Land diesem Statement nicht zustimmen kann. Aber so ist es“, gab der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ungewohnt offen zu. Die ungarische Entscheidung hat den Spitzendiplomaten sichtlich am falschen Fuß erwischt.
Auch bei anderen Beteiligten war die Ratlosigkeit groß: „Wir bedauern sehr, dass die EU nicht mit einer Stimme spricht“, sagte eine Sprecherin von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg der APA. „Lediglich Ungarn sah das anders, warum auch immer“, kommentierte Deutschlands Außenminister Heiko Maas am Mittwoch gegenüber dem ZDF die Position der EU.
Dabei hat sich der ungarische Außenminister Péter Szijjártó doch erklärt. Er warf der EU vor, sich gegen Israel zu stellen: „Ich habe ein Problem mit diesen europäischen Aussagen über Israel, sie sind normalerweise ziemlich voreingenommen, sie berücksichtigen nicht die Sicherheitsbedenken Israels.“
Nicht das erste Mal
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Mitgliedstaat eine Erklärung zum Nahostkonflikt blockiert, sagt Patrick Müller, Politologe an der Uni Wien und an der Diplomatischen Akademie. Das liege auch an einem speziell in den vergangenen Jahren aufgebauten Naheverhältnis der Regierung Netanjahu zu EU-Mitgliedstaaten mit europakritischen Regierungen – darunter Ungarn.
Die Orbán-Regierung sei zudem willens, Konflikte innerhalb der Union einzugehen, was in der europäischen Außenpolitik, die aufgrund ihrer intergouvernementalen Organisation auf Konsens basiert, nicht üblich ist, erklärt der Politologe.
„Ungarische Vetodrohungen und Vetos haben eine lange Tradition“, schreibt die ungarische Tageszeitung Népszava und zählt auf, dass sich Budapest in den vergangenen Jahren etwa (gegen die EU) auf die Seite Chinas, Russlands und der Türkei gestellt hat. Das Veto wird in dem Artikel als „Werkzeug der spezifischen Verhandlungsstrategie“ bezeichnet. „Es ist durchaus möglich, dass Viktor Orbán die Gesamtstrategie verfolgt, die EU als handlungsunfähig darzustellen“, sagt Politologe Andreas Maurer von der Uni Innsbruck.
In den vergangenen Jahren hat es bereits mehrere Versuche gegeben, die EU-Entscheidungen weg von der Einstimmigkeit zu bringen und die Union so handlungsfähriger zu machen. Bis dato ohne Erfolg. Jetzt wird wieder vermehrt darüber diskutiert werden.
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