EU-Vermittler Lajčák über Kosovo: "Sind auf Landmine getreten"
Es sah nach einer Lösung für den Kosovo aus, dann krachten serbische Randalierer mit der KFOR zusammen. EU-Sonderbeauftrager Lajčák gibt Einblicke in die zähen Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina.
„Wir haben einen Deal“, erklärte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell im März. Da sah es erstmals seit Langem nach einer nachhaltigen Annäherung zwischen Serbien und seiner einstigen Provinz, dem Kosovo, aus. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Kosovos Premier Albin Kurti einigten sich unter EU-Vermittlung auf einen Lösungsplan. Der sah vor, dass Serbien den Kosovo 15 Jahre nach dessen Unabhängigkeitserklärung de facto anerkennt.
Im Gegenzug sollten Ortschaften im Norden des Kosovo, in denen vor allem Serben wohnen, zu einem autonomen Gemeindebund werden. Doch im April rief Serbien zum Boykott der Lokalwahlen in eben diesen Ortschaften auf, sodass ethnische Albaner Bürgermeister werden konnten. Als die ihre Ämter antreten wollten, protestierten die Serben. Es kam zu gewaltsamen Zusammenstößen, auch westliche Soldaten wurden verletzt.
Der Slowake Miroslav Lajčák ist als EU-Sonderbeauftragter für den Dialog zwischen Belgrad und Pristina zuständig und war bereits bei vielen sensiblen Verhandlungsstunden dabei.
KURIER: Herr Lajčák, aktuell sieht es nicht nach einer Lösung aus. Was ist mit dem europäischen Plan passiert?
Miroslav Lajčák: Das Abkommen vom März ist ein Meilenstein für die Normalisierung der Beziehung zwischen Serbien und dem Kosovo. Wir wissen genau, was gemacht werden müsste. Doch es gibt viele „Landminen“ entlang dieses Pfads, auf die wir nicht treten sollten. Die Lokalwahlen im April waren eine, und leider sind wir draufgetreten. Aktuell liegt unser Fokus nicht auf Normalisierung, sondern auf Krisenmanagement.
Hat die EU in ihrer Vermittlerrolle hier Fehler gemacht?
Lassen Sie mich eines sagen: Als ich in dieses Amt berufen wurde, gab es zwei Jahre lang keinen Dialog. Meine erste Aufgabe war es, ihn wiederzubeleben und die EU auf den Fahrersitz zu setzen. Das ist keine kleine Errungenschaft. Wir bieten die Plattform für den Dialog, aber Erfolg und Tempo hängen von den beiden Parteien ab. Wir tun vielleicht mehr als wir können.
Kritiker werfen der EU allgemein und Ihnen speziell vor, Vučić zu viel durchgehen zu lassen. Was sagen Sie dazu?
Die Beziehung zwischen der EU und Serbien ist komplex, genauso die zwischen der EU und dem Kosovo. Unparteiisch zu arbeiten ist für mich Priorität.
Fünf EU-Länder erkennen den Kosovo nach wie vor nicht als unabhängig an, darunter Ihr Heimatland, die Slowakei. Ist das ein Problem für den Dialog zwischen Belgrad und Pristina?
Ich spreche nicht für ein Land, sondern für alle 27 EU-Länder. Die müssen in dieser Frage selbst entscheiden. Aber die angesprochenen Fünf verfolgen den Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo mit großer Aufmerksamkeit. Sie wissen, dass sich der Ausgang – wie auch immer der aussehen mag – auf sie auswirken wird. Eine Normalisierung der Kosovo-Serbien-Beziehungen wollen sie aber alle, sie stehen hinter dem Abkommen vom März.
Wie nehmen Sie die Verhandlungsbereitschaft der beiden Konfliktparteien aktuell wahr?
Beide verstehen, wie wichtig dieser Dialog für sie ist. Gleichzeitig ist er für sie sehr schwierig. Denn sowohl Vučić als auch Kurti wissen: Alles, dem sie zustimmen, wird von ihren Bürgern und der Öffentlichkeit genau beobachtet. Aufgrund dieses Drucks hat es gedauert, bis sie eine Arbeitsbeziehung aufgebaut haben. Ich erinnere mich, dass das erste Treffen 2021 nicht einfach war. Dann haben sie gelernt, einander zuzuhören und respektvoll zu widersprechen, statt sich zu beleidigen. Jetzt sind wir eben wieder beim Krisenmanagement.
Kann es unter Vučić und Kurti noch zu einer Lösung kommen? Oder braucht es dafür neue Akteure?
Diese Frage stelle ich mir nicht. Ich kann mir meine Partner nicht aussuchen, das machen die Bürger Serbiens und des Kosovo. Wir sollten so viele Vereinbarungen wie möglich in diesem Jahr schließen und bald umsetzen. Zu warten wird nicht helfen, im Gegenteil – wir haben im Frühjahr ein Momentum erschaffen, das wir nutzen sollten.
Sehen Sie einen EU-Beitritt Serbiens und den Start der Beitrittsverhandlungen mit dem Kosovo in den nächsten zehn Jahren?
Das ist schwer zu beurteilen. Paradoxerweise sind aber mit dem russischen Angriff auf die Ukraine neue Möglichkeiten entstanden. Die EU hat verstanden, dass wir nicht nur gegenüber der Ukraine, Moldau und Georgien Leadership zeigen müssen, sondern auch gegenüber dem Westbalkan. Das Fenster der Optionen ist geöffnet – jetzt liegt es an unseren Partnern, sie zu verwenden.
Kommentare