EU-Finanzplan: Keine Zustimmung zur „bitteren Pille“
„Schmerzhafte Einschnitte“ und eine „bittere Pille“ beim Budget, aber ein „einzigartiges Aufbauinstrument“ in Sachen Corona-Hilfe: An großen Worten mangelte es EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsidenten Charles Michel am Donnerstag nicht, als sie vor den Abgeordneten des EU-Parlaments die Einigung des Brüsseler Gipfels auf einen Wiederaufbauplan zur Bewältigung der Corona-Krise und das Budget für 2021 bis 2027 bewarben.
Genutzt hat es offenbar wenig: Eine Resolution des Parlaments, der von der Europäischen Volkspartei (EVP), den Sozialdemokraten, der liberalen Renew Europa, den Grünen und den Linken mitgetragen wurde, lehnte das Gipfelergebnis mit breiter Mehrheit von 465 Ja-Stimmen (gegen 150 Nein-Stimmen und 67 Enthaltungen) "in seiner derzeitigen Fassung" - also vorläufig - ab.
„Wir haben uns also entschieden, diese europäische Ehe für die nächsten 30 Jahre weiterzuführen“, sagte Charles Michel, immer noch sichtlich erleichtert über die mühsame Einigung in Brüssel, und: Die europäische Reaktion auf die Gesundheitskrise sei umfassender als die der USA oder Chinas. Zum ersten Mal in der Geschichte verschuldeten sich die EU-Länder gemeinsam (für den 750 Millionen Euro schweren Wiederaufbauplan), und das EU-Budget (1.074 Milliarden Euro) werde an die Klimaziele und die Rechtsstaatlichkeit gebunden.
Mitspracherecht
Ursula von der Leyen nannte das „sehr schmale“ EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 zwar eine „bittere Pille“, „schmerzhafte Einschnitte“ gebe es im Vergleich zum Vorschlag der EU-Kommission vor allem im Gesundheits- und Forschungsprogramm, aber: „Ich glaube, wir haben eine wichtige Wasserscheide in der EU überschritten, indem wir geeint geblieben sind.“ Den schuldenfinanzierten Fonds bezeichnete von der Leyen als „einzigartiges Aufbauinstrument“ und sicherte dem Europaparlament als Mitgesetzgeber „volles Mitspracherecht“ zu.
Diese Zusage reicht dem Europaparlament nicht. Es macht seine Zustimmung zum Wiederaufbauplan vom Entgegenkommen des Rates bei den EU-Eigenmitteln, der Einführung eines Rechtsstaatlichkeitsmechanismus und Investmentzusagen in Zukunftsbereichen wie Klima, Digitalisierung, Gesundheit und Forschung abhängig. Den Anteil an Zuschüssen in Höhe von 390 Milliarden Euro an dem insgesamt 750 Milliarden Euro Aufbaufonds sehen die EU-Abgeordneten als zu gering an.
EVP-Vorsitzender Manfred Weber konterte von der Leyen: „Wir sind derzeit nicht bereit, diese bittere Pille zu schlucken.“ Er sprach sich insbesondere dagegen aus, dass 90 Prozent des Corona-Hilfsfonds direkt in die nationalen Haushalte der EU-Mitgliedstaaten fließen und nicht projektgebunden vergeben werden sollen. Er schlug vor, eine zentrale EU-Agentur einzurichten, welche die Verwendung der Gelder überprüfen solle. Weber forderte auch die klare Verknüpfung der Corona-Hilfen an Reformvorgaben.
Der liberale Fraktionschef Dacian Ciolos sagte, seine Fraktion werde dem Finanzrahmen nur zustimmen, wenn es eine solide Garantie gebe, dass die Vergabe von EU-Mitteln an die Rechtsstaatlichkeit gebunden wird. Die Rechtsstaatsklausel des Gipfels wird als zu vage gerügt.
September Abstimmung
Das EU-Parlament muss dem Wiederaufbaupaket zustimmen, um dessen Umsetzung zu ermöglichen. Die Resolution des EU-Parlaments ist noch keine formale Ablehnung, sondern ein Teil der gemeinsamen Gesetzgebung: Jetzt muss die Kommission das Brüsseler Ergebnis nachverhandeln und nachbessern, ehe es vom Parlament vermutlich im September abgestimmt wird.
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