EU-China-Gipfel: Die Ziele bleiben unvereinbar
Bei gleich zwei Video-Gipfeln am Freitag versuchte die EU-Spitze die chinesische Staatsführung davon zu überzeugen, Druck auf Russland auszuüben, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Dem Verhandlungsteam um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war zunächst die Nummer Zwei Chinas, Ministerpräsident Li Keqiang, anschließend Staats- und Parteichef Xi Jinping zugeschaltet.
Schon im Vorhinein waren die Erwartungen niedrig gewesen. Zu wichtig ist man wirtschaftlich füreinander: China ist der wichtigste Handelspartner der EU. Nimmt man die Union als Ganzes, ist das auch umgekehrt der Fall. Die unkonkrete Drohung aus Brüssel, die gemeinsamen Beziehung würden unter Chinas Russlandfreundlichkeit leiden, sieht man in Peking daher gelassen.
Die EU-Chefs haben sich deshalb offenbar einen diplomatischen Kniff einfallen lassen.
Von der Leyen bot Xi an, europäische Impfstoff-Expertise zu teilen, sollte er sich um Frieden in der Ukraine bemühen. Ein Angebot das Xi, der stets die Unfähigkeit des Westens im Umgang mit dem Virus betonte, niemals annehmen wird. Mit seiner Null-Covid-Strategie, die aktuell wegen nur 6.000 Neuinfektionen zu einem harten Lockdown in Shanghai führt, hat Chinas Präsident die Pandemiebekämpfung schon vor zwei Jahren zur Chefsache erklärt.
Der EU-Spitze fehlt schlicht die Möglichkeit, den chinesischen Verantwortlichen ernsthaft Druck zu machen. Politisch wird Europa in Peking ohnehin nur als Juniorpartner der Vereinigten Staaten im globalen Kräftemessen gesehen. Einzig die durch den Krieg enger gewordenen Beziehungen zwischen Brüssel und Washington sind den Chinesen ein Dorn im Auge. So ist auch Xis am Freitag geäußerter Wunsch nach einer „unabhängigeren Wahrnehmung und Politik“ der EU gegenüber China zu deuten.
Chinas unklare Position
Im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verfolgt die Staatsführung in Peking weiterhin einen ambivalenten Kurs. Nach außen betont die Volksrepublik ihre Neutralität und pocht auf Frieden. Auch am Freitag erklärte Li, China wolle dabei auf seine „eigene Art“ Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine herbeiführen - Details blieb er schuldig.
China scheint ehrlich an einem Ende des Krieges interessiert zu sein, der neben dem Zusammenrücken der westlichen Mächte auch massive wirtschaftliche Folgen für das Land mit sich bringt: Der chinesischen Industrie sind im März durch die Unsicherheit auf den Weltmärkten etwa so viele Exportaufträge weggebrochen wie zuletzt zu Beginn der Pandemie.
Doch die guten Beziehungen zu Russland scheinen Xi und Co. wichtiger zu sein. Aller beschworenen Neutralität zum Trotz übernehmen chinesische Offizielle deshalb bei Auftritten die russische Rhetorik, sprechen etwa von einer "Militäroperation" statt einem "Krieg". Auch benennen sie regelmäßig die NATO-Osterweiterung als Ursache der Eskalatio, zum Beispiel Chinas Außenminister Wang Yi vergangene Woche beim Besuch seines russischen Amtskollegen Sergej Lawrow.
Man zeigt sich in China also weiter klar an der Seite Russlands, gleichzeitig will man in das Kriegsgeschehen nicht eingreifen - nicht einmal indirekt. So ist man etwa der russischen Bitte nach Waffenlieferungen ebenso wenig nachgekommen wie jener nach Flugzeug-Ersatzteilen. Warum dann dieses diplomatische Spiel?
Rationale Gründe für Russland-Nähe
Abseits der ideologischen und geografischen Nähe gibt es ganz rationale Gründe für die „fast grenzenlose Freundschaft“ der beiden Länder, wie sie Xi bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele im Februar nannte: Mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern benötigt China so viel Energie und Nahrung wie kein anderes Land weltweit, beides kann Russland zuhauf liefern.
Dazu kommt, dass Chinas Militär sich nicht in demselben Tempo entwickelt hat wie seine Wirtschaft. In Russland ist das Gegenteil der Fall: Wirtschaftlich verliert das Land zunehmend an Bedeutung, ist aber weiterhin eine erprobte Militärnation. Von regelmäßigen gemeinsamen Übungen mit russischen Soldaten profitieren die Chinesen daher ebenso sehr wie von russischer Militärtechnologie, die sie für teures Geld importieren.
Ein international isoliertes Russland ist zudem noch stärker von China abhängig als ohnehin schon. Damit nimmt die Volksrepublik endgültig die Führungsrolle in dieser Beziehung ein, wie es schon seit Jahren der Anspruch der Staatsführung ist.
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