Seit fast zwei Jahren werden bei jedem Anzeichen eines Corona-Ausbruchs ganze Regionen abgeriegelt. Staatspräsident Xi Jinping betont regelmäßig, dass man die Pandemie damit besser im Griff habe als „chaotische westliche Demokratien“. Jetzt aber entfallen auf Shanghai mit mehr als 6.000 positiven Tests alleine am Mittwoch fast 80 Prozent aller Neuinfektionen in China. Sollte die Lage außer Kontrolle geraten, droht sie für den Präsidenten zum Gesichtsverlust zu werden.
Katastrophale Lage in Infektionszentren
Weil ein kompletter Lockdown einer solch großen Stadt eine enorme logistische Herausforderung darstellt, wird sie seit Montag für eine Woche entlang des Huangpu-Flusses zweigeteilt. Der Stadtteil Pudong – auf deutsch „östlich des Pu(-Flusses)“ – mitsamt des hochmodernen Finanzbezirks seither für fünf Tage stillgelegt.
Alle Bewohner müssen sich in diesem Zeitraum zweimal an öffentlichen Stationen testen lassen, ansonsten droht eine saftige Strafe. Alleine am Montag testeten die Behörden so offiziell mehr als acht Millionen Menschen.
Wer positiv ist, muss eine zehntägige Quarantäne in einem staatlichen Isolationszentrum antreten. Das sind provisorische Bettenlager, die unter anderem in Spitälern, aber auch in Lagerhallen oder Messezentren errichtet wurden. Berichte aus diesen Isolationszentren beschreiben verheerende Zustände: Hunderte Menschen werden auf engstem Raum zusammengepfercht, an einigen Orten gibt es zu wenig zu essen und zu wenig Betten, manche müssen somit tagelang auf dem Boden schlafen.
Auf chinesischen Sozialen Medien wird sich darüber auf vielfach beschwert, oftmals aber auf subtile Weise. So werden etwa Packlisten geteilt von Dingen, die man in das Isolationszentrum mitnehmen sollte. Darunter schlägt ein Nutzer vor: "Nimm auf jeden Fall Zigaretten mit, auch wenn du nicht rauchst. Du wirst sie als Währung brauchen."
Miliz wird einberufen
Wer selbst negativ ist, aber Kontakt zu einer infizierten Person hatte, muss zu Hause bleiben und darf die Wohnung unter keinen Umständen verlassen, auch nicht für den Besuch von Supermarkt oder Apotheke. In den chinesischen Sozialen Medien bitten etliche ihre Nachbarn um Hilfe, weil sie somit nicht mehr an Lebensmittel kommen und auch Bestellservices kaum liefern dürfen.
Ursprünglich sollte der Lockdown in Pudong ab Freitag aufgehoben und stattdessen über die Stadthälfte Puxi – „westlich des Pu“ – verhängt werden. Doch weil die Zahlen weiter stiegen, steht seit Mittwoch ganz Shanghai still. In der Bevölkerung sorgt das für großen Unmut, und das anders als sonst in China nicht nur in den sozialen Medien: Vereinzelt kam es bereits zu kleineren Protesten in der Stadt.
Die Regierung in Peking reagierte, indem sie hunderte Bürger unter Strafandrohung als Milizsoldaten aushob, um die widerstandslose Umsetzung der Vorgaben zu garantieren.
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