Eine Million Artilleriegranaten binnen eines Jahres sagte die EU der Ukraine vor etwa einem Monat zu. Einmal mehr schwärmten Offizielle von einer „außerordentlichen Demonstration der Einigkeit und Handlungsbereitschaft der EU“ – ehe klar wurde: So einfach geht das nicht. Während Frankreich darauf beharrte, man wolle nur auf Unternehmen aus der EU (und Norwegen) setzen, bremste die deutsche Regierung.
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Es sei nicht möglich, diese Mengen so rasch zu produzieren – man müsse auch bei Ländern wie Japan und Australien einkaufen. Und so diskutieren und verhandeln Berlin und Paris weiter über Formulierungen und potenzielle Partner, während Rüstungsunternehmen auf offizielle Aufträge warten, um die ohnehin langwierigen Vorbereitungen für die Produktion treffen zu können und Fachkräfte zu suchen.
Auch am Mittwoch konnten sich die mit den Verhandlungen betrauten Diplomaten nicht auf gemeinsame Munitionskäufe für die Ukraine einigen - und es ist unklar, ob am Freitag überhaupt ein Kompromiss erzielt werden kann. "Die Lieferung von Munition aus der EU an die Ukraine wird immer peinlicher", sagte ein westlicher Diplomat.
300.000 Artilleriegranaten im Jahr
Dass die versprochene Anzahl an Granaten zum versprochenen Zeitpunkt eintreffen wird, gilt als immer unwahrscheinlicher. In internen Berichten ist laut der FAZ von bisher 41.000 Granaten die Rede. Derzeit produziert die EU 300.000 Stück im Jahr.
Zudem veröffentlichte der EU-Rechnungshof seinen ersten Bericht zum EU-Verteidigungsbereich - und dieser spart nicht mit Kritik:
„Der Europäische Verteidigungsfonds (EVF) ist mit einem Budget von 7,9 Milliarden Euro das Vorzeigeinstrument der Kommission zur Unterstützung der Verteidigungszusammenarbeit in Europa“, hieß es im April 2021 vonseiten der EU-Kommission. Er sei eine Priorität für „ein stärkeres Europa in der Welt“, meinte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Verteidigungsfonds habe "keine längerfristige Strategie"
Der 2019 eingerichtete Europäische Verteidigungsfonds soll die Zusammenarbeit innerhalb der EU bei Forschung und Entwicklung von Verteidigungsfähigkeiten unterstützen. Insgesamt sieht er für den Zeitraum 2021-2027 ein Budget von 7,9 Milliarden Euro vor. Zum Vergleich: Das Verteidigungsbudget der Niederlande betrug 2022 14,12 Milliarden Euro. (Österreich hat knapp 3,3 Milliarden.)
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„Nach wie vor verfügt die EU nicht über eine längerfristige Strategie für den EVF“, heißt es im Bericht des EU-Rechnungshof. Er empfahl beispielsweise einen „Planungshorizont von mehr als einem Jahr für die EVF-Arbeitsprogramme“ vorzusehen.
Doch bereits vor Einführung des EVF habe es Schwierigkeiten gegeben: So sei etwa das mit 90 Millionen Euro ausgestattete „EU-Programm im Bereich Verteidigungsforschung" (PADR) nur teilweise nützlich gewesen, um zwischen 20178 und 2019 die EU „auf eine deutliche Aufstockung ihrer Verteidigungsausgaben vorzubereiten und den Weg für den EVF zu ebnen“.
Projekt "SAURON"
Der Rechnungshof stellt bei den im Rahmen von PADR finanzierten Projekten fest, dass sie nur schleppend vorankamen. Ergebnisse seien nicht rechtzeitig geliefert worden. Als im Mai 2021 die ersten Ausschreibungen für den EVF begonnen hätten, seien die meisten PADR-Projekte noch im Gange gewesen.
Eines dieser Projekte ist das Projekt „SAURON“ (Sensors for Advanced Usage & Reconnaissance of Outerspace situatioN), das den Grundstein für die Entwicklung eines Netzes europäischer boden- und weltraumgestützter Sensoren, legen soll. Ziel sei die „Identifizierung und Charakterisierung von Weltraumressourcen in der gesamten Umlaufbahn“.
„Derartige Forschungsprojekte im Verteidigungsbereich sind in der Regel langfristig angelegt: Es kann 20 Jahre oder länger dauern, bis ihre Ergebnisse von den Verteidigungsministerien genutzt werden können“, heißt es im Bericht.
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Vor allem aber sei die kollektive Verteidigung ins Zentrum der EU-Mitgliedsstaaten gerückt, die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU beschränke sich aber auf das „externe Krisenmanagement“. Die derzeit forcierten Themen sind also mit den Europäischen Verteidigungsfonds nicht anzugehen.
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