EU-Verteidigung: Keine Armee, aber eine militärische Macht

Wohin bewegt sich die europäische Verteidigungspolitik?
Ein gemeinsamer Verteidigungsfonds ist nach Brüssels Plänen ein erster Baustein – hin zu einer möglichen militärischen Macht EU.

Ein europäischer Kampfverband, bestehend aus französischen, deutschen und spanischen Truppen, irgendwo in Afrika auf Spezialeinsatz und der Jagd nach Terroristen – es ist ein Zukunftsszenario. Nach den gestern in Brüssel präsentierten Plänen der EU-Kommission scheint es aber nicht mehr vollkommen ausgeschlossen.

Europa muss seine Verteidigung stärker in die eigenen Hände nehmen. Dieses Credo gilt nicht erst, seit Donald Trump den Europäern die Leviten liest. "Auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik müssen wir an einem stärkeren Europa arbeiten", hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon vor drei Jahren die Devise ausgegeben. Am Mittwoch präsentierte die Kommission nun drei mögliche Szenarien, wie diese künftige Verteidigungslinie der EU aussehen könnte:

- Kooperation:

Da steht etwa unter dem Szenario "Zusammenarbeit" zur Debatte, was im Grunde bereits existiert: Die EU-Mitgliedsstaaten arbeiten freiwillig zusammen, die militärische Kooperation wird im Krisenfall spontan organisiert. Dies würde aus Sicht von Brigadier Walter Feichtinger (Landesverteidigungsakademie) auch bedeuten: Die schon jetzt existierenden "battle groups" der EU kämen wohl auch weiterhin eher nicht zum Einsatz. "Diese aus verschiedenen Nationen zusammengesetzten Formationen mit hohem Qualitätsstandard haben großes Potenzial. Sie wären auf Knopfdruck einsatzbereit, wurden aber aus politischen Gründen bisher noch nie eingesetzt", schildert Feichtinger dem KURIER.

Ob sich die noch 28, ab 2019 nur noch 27 EU-Staaten für eine andere Verteidigungspolitik entscheiden, obliegt den jeweiligen nationalen Regierungen. Beim EU-Gipfeltreffen Ende Juni werden die Staats-und Regierungschef darüber diskutieren – auch über das Szenario zwei:

- "Geteilte Verantwortung"

Vorgesehen ist eine viel intensivere Zusammenarbeit – wiederum auf freiwilliger Basis. Die EU-Staaten würden ihre Militärplanungen enger abstimmen, gemeinsame Planungs- und Kommandostrukturen aufbauen. "Für diese Zusammenarbeit sind die Weichen bereits gestellt", sagt Feichtinger. "Und im Grunde ist dieses Szenario das, was die europäische Bevölkerung erwartet."

EU-Verteidigung: Keine Armee, aber eine militärische Macht
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- "Gemeinsame Verteidigung"

Das ehrgeizigste Szenario der "Gemeinsamen Verteidigung und Sicherheit" sieht wiederum eigenständige militärische Operationen und den Aufbau von eigenen Truppenverbänden vor. Marine-Einsätze in "feindlichen Gewässern" wären ebenso denkbar wie die Durchsetzung von Flugverbotszonen. Dieses Szenario geht für die EU bereits "in Richtung einer militärischen Macht", sagt Feichtinger. Was die EU-Pläne aber nicht vorsehen, ist die Bildung einer europäischen Armee. Feichtinger: "Die wirklich harte militärische Verteidigung wird auch auf lange Sicht die Aufgabe der NATO bleiben."

"Die EU wird keine Militärallianz werden und die NATO nicht ersetzen", bestätigte denn auch EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Wirksam aber wird bereits heuer ein gemeinsamer EU-Verteidigungsfonds. Erstmals werden dabei EU-Haushaltsgelder für militärische Zwecke verwendet – insgesamt 590 Millionen Euro bis zum Jahr 2020. Aus diesem Geldtopf werden gemeinsame militärische Forschungs- und Rüstungsprojekte bezahlt.

Durch die künftig bessere Rüstungszusammenarbeit könnten die Mitgliedstaaten nach Angaben der EU-Kommission insgesamt bis zu 30 Prozent der jährlichen Verteidigungsausgaben einsparen. Der Mangel an Kooperation kostet pro Jahr zwischen 25 und 100 Mrd Euro. Zuletzt gaben die 28 EU-Staaten insgesamt 227 Mrd. Euro für ihre Verteidigung aus. Der Löwenanteil von 55 Mrd. Euro entfiel dabei auf Großbritannien.

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