Türkei und Kroatien: Zwei Wege in Richtung EU

Türkei und Kroatien: Zwei Wege in Richtung EU
Während Zagreb nach fast acht Jahren vor dem EU-Beitritt steht, stecken die Gespräche mit Ankara in der Sackgasse.

Ein gemeinsamer Start, zwei Länder, zwei Geschwindigkeiten: Am 3. Oktober 2005 eröffneten Kroatien und die Türkei ihre Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union. Genau genommen starteten die Gespräche erst einen Tag später, denn wegen der österreichischen Blockade im Zusammenhang mit der Türkei mussten an jenem Tag in Luxemburg um Mitternacht die Uhren angehalten werden.

Kroatien ab 1. Juli EU-Mitglied

Während Kroatien am 1. Juli 2013 am Ziel seiner Reise nach Europa ankommen wird, stecken die Gespräche mit der Türkei mittlerweile in der Sackgasse. Dabei sind die EU-Verhandlungsrahmen mit Kroatien und der Türkei mit jeweils 35 Kapiteln ähnlich abgesteckt.

Kroatien schloss im Juni 2011 die Beitrittsverhandlungen mit der EU ab. Die Türkei hingegen konnte bis heute von den 35 Verhandlungskapiteln erst eines (Wissenschaft und Forschung) abschließen und Gespräche in zwölf weiteren Bereichen eröffnen.

Wegen der Türkei-Skepsis in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Österreich macht sich in Ankara sogar EU-Müdigkeit breit. Schwung kam zuletzt noch in die Beziehungen, als die EU langfristig Visafreiheit für türkische Bürger in Aussicht gestellt hatte.

Allein die schiere Größe macht die Türkei zu einem besonderen EU-Kandidaten. Mit rund 75 Millionen Einwohnern, davon geschätzte 99 Prozent Muslime, ist sie schon jetzt einer der bevölkerungsreichsten Staaten Europas. Bei anhaltendem Trend würde die Türkei in den nächsten Jahren auch Deutschland (82 Millionen) in der EU von der Spitze verdrängen. Dem gegenüber fällt das überwiegend katholische Kroatien mit 4,4 Millionen Einwohnern kaum ins Gewicht.

Zypern-Konflikt

Das größte Hindernis für Ankara ist der ungelöste Zypern-Konflikt. Weil sich die Türkei weigert, das Zollprotokoll mit der EU auf die geteilte Mittelmeerinsel anzuwenden, hat die EU 2006 acht zentrale Verhandlungsbereiche auf Eis gelegt. Die Gespräche zum freien Warenverkehr, Niederlassungsrecht und freiem Dienstleistungsverkehr, Finanzdienstleistungen, Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Zollunion sowie Außenbeziehungen können nach dem Beschluss der EU nicht angegangen werden, so lange die Türkei ihre Flug- und Seehäfen nicht für Schiffe und Flugzeuge aus dem EU-Land Zypern öffnet.

Dabei musste auch Kroatien in den EU-Beitrittsverhandlungen Verzögerungen von mehr als einem Jahr durch einen Grenzstreit mit Slowenien hinnehmen. Erst 2009 erzielten die beiden Länder eine Einigung. Nach den ursprünglichen Planungen der EU-Kommission hätte Kroatien die Verhandlungen 2009 abschließen sollen, Kroatien selbst hatte vor der Blockade durch Slowenien einen EU-Beitritt zu diesem Zeitpunkt angestrebt. Letztlich wurde der Beitrittsvertrag am 9. Dezember 2011 feierlich in Brüssel unterzeichnet.

Die Türkei strebt seit mehr als einem halben Jahrhundert nach einer Annäherung an Europa. Sie beantragte zunächst 1959 die Assoziierung mit der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). 1987 suchte die Türkei um die Mitgliedschaft in der EWG an, 1996 wurde sie Mitglied der Zollunion und 1997 gewährten die EU-Staats- und Regierungschefs dem Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten.

Kroatien - seit 1991 unabhängig - schickte erst im Februar 2003 sein Beitrittsgesuch nach Brüssel und bekam im Dezember 2004 bereits die Zusage für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Eigentlich hätten diese schon Monate früher beginnen sollen, doch die EU erachtete die geforderte Kooperation mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal im Fall des Ex-Generals Ante Gotovina als unzureichend. Grünes Licht gab die damalige UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte erst am 3. Oktober 2005. Gut zwei Monate später wurde Gotovina in Spanien gefasst.

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