Erdgasstreit mit Erdogan: Was Pompeo in Wien durchsetzen soll
Wenn der US-Außenminister heute in Wien seine offiziellen Treffen abhält, wird international vor allem eines große Beachtung erhalten: Jenes mit seinem griechischen Amtskollegen: Nikos Dendias ist spontan nach Österreich gereist, um mit Mike Pompeo über amerikanische Solidarität zu sprechen. Konkret: im Erdgasstreit im östlichen Mittelmeer. Dort wuchsen die Spannungen zwischen Athen und Ankara zuletzt von Stunde zu Stunde.
Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Streit zwischen Griechenland und der Türkei.
Worum geht es in dem Erdgasstreit?
In dem jahrzehntelangen Streit geht es um die Öl- und Gassuche in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer. Griechenland beansprucht das alleinige Recht, in der Region zwischen dem griechischen Festland und den der Türkei vorgelagerten zahlreichen griechischen Inseln Rohstoffe zu suchen und zu fördern. Die EU erkennt die griechische Position an, die im Prinzip mit der Seerechtskonvention der UN von 1982 konform geht. Doch die Türkei erkennt die Konvention nicht an.
Welche Aktionen der Türkei sorgen für Aufsehen?
Ankara will Fakten schaffen. Im November hat man mit Libyen ein Abkommen zur wirtschaftlichen Nutzung der Gewässer geschlossen, die zwischen beiden Ländern liegen (siehe Grafik). Und vor zwei Wochen hat Ankara demonstrativ in der griechischen Wirtschaftszone mit einem Forschungsschiff nach Erdgas gesucht. Auf europäischen Druck hin, gepaart mit – gemäßigten – EU-Sanktionen, hat Ankara die Suche vor einer Woche aber abgeblasen.
Welche Aktionen Griechenlands regen auf?
Die Chance dürfte Griechenland genutzt haben, um wiederum mit Ägypten ein ähnliches Abkommen zu schließen. "Die Türkei fühlt sich hinters Licht geführt", sagt Günter Seufert, Leiter des Zentrums für angewandte Türkeistudien in Berlin zum KURIER.
Wie ist das türkische Militär involviert?
Diese Woche startete das Forschungsschiff „Oruc Reis“, um vor der griechischen Insel Kastelorizo mit Ultraschall nach Erdgasvorkommen zu suchen. (Hier kann man seine Route verfolgen.) Dass das Forschungsschiff von militärischen Schiffen begleitet ist, sei eine "klare militärische Drohgebärde oder sogar mehr", sagt Seufert. Die Türkei zeige damit ihre Entschlossenheit. Athen sendete seinerseits Kriegsschiffe in das Gebiet.
Wer ist im Recht? Griechenland oder die Türkei?
Griechenland fühlt sich im Recht – nicht erst durch das Abkommen mit Ägypten. Für Griechenland ist klar – vor der Insel Kastelorizo ist alleinige griechische Wirtschaftszone.
Die Türkei erkennt zwar das Hoheitsgebiet Griechenlands vor den Inseln an, aber nicht die so genannte "ausschließliche Wirtschaftszone". Und sie habe damit nicht ganz Unrecht, glaubt Seufert: "Man kann Reserven darüber haben, wie sich die Türkei außenpolitisch verhält, aber Ankara hat ein berechtiges Anliegen, in die Ausbeutung der Bodenschätze einbezogen zu werden." Vor der türkischen Küste finden sich etliche griechische Inseln, sodass die Türkei so gut wie keine wirtschaftliche Nutzung hätte. Das widerspreche dem Geist des Seerechts, das auch das Prinzip einer gerechten Teilung vorsehe, so Seufert.
Der türkische Botschafter in Wien, Ozan Ceyhun, bekräftigte diese Position zuletzt ebenfalls:
Was können Pompeo bzw. die EU jetzt machen?
In den Streit haben sich mittlerweile mehrere Akteure eingemischt. Die EU steht naturgemäß auf Seiten Griechenlands, Frankreich schickte Kampfbomber nach Zypern. Athen hofft, dass sich auch die USA entsprechend einsetzen. Die Frage ist aber, wie weit Pompeo gehen will. Zwar sei man sich in vielen Bereichen mit Ankara nicht grün (etwa in Syrien), aber Washington zähle auf die Türkei in Libyen – als Gegengewicht zu Russland, erklärt Seufert.
Wie verhält sich die EU?
Die EU-Außenminister beraten heute virtuell in einer Konferenz zum Thema Erdgasstreit. Es sei wichtig, dass die EU - aber auch die USA - jetzt mäßigend auf Athen einwirken, damit man eine vernünftige Lösung finden könne, sagt Seufert zum KURIER. „Besorgniserregend“ nennt Alexander Schallenberg die Entwicklungen. "Die türkische Politik – unter anderem in Libyen und Syrien – sowie zuletzt auch die Umwidmung der Hagia Sophia, sollte uns in Europa schon zum Umdenken bewegen. Österreich fordert daher weiterhin den Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei."
Kommentare