Durchbruch: 195 Staaten einigen sich auf "Pakt für die Natur"

Forschungsprojekt soll zum Artenschutz beitragen
Starkes Abkommen trotz einiger Schwächen. Wichtigster Punkt: Alle Staaten müssen bis 2030 30 Prozent ihrer Landes- und Meeresfläche unter Schutz stellen

Sie gilt als kleine Schwester des Klimaschutzes, ist aber nicht minder dramatisch: Weltweit gibt es ein Massensterben von Pflanzen und Tieren ungeahnten Ausmaßes, und ein Verschwinden von Biotop-Typen, die die Lebensgrundlage vieler Arten darstellen.

Zwei Wochen lang, und coronabedingt mit zweijähriger Verspätung sind im kanadischen Montreal Vertreter von 195 Staaten zusammengekommen, um einen neuen, wirkungsvollen „Pakt für die Natur“ auszuhandeln. In der Nacht auf Montag gab es endlich eine Einigung.

30 Prozent unter Schutz

Die Staatengemeinschaft will bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz stellen. Außerdem setzten sie sich darin unter anderem das Ziel, mehr Geld für den Schutz der Artenvielfalt ausgeben zu wollen. Dafür sollen ärmere Länder bis 2025 rund 20 Milliarden Dollar jährlich bekommen.

Nach der Verabschiedung des rechtlich nicht bindenden Dokuments brach bei der Plenarsitzung, die eigentlich bereits für Sonntagabend angesetzt war und dann wegen anhaltender Verhandlungen zeitlich immer weiter in die Nacht hinein verschoben worden war, Klatschen und lauter Jubel aus.

Organisatoren, Wissenschaftler und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen hatten bis zuletzt gehofft, dass bei dem Treffen noch ein richtungsweisendes globales Abkommen für den Artenschutz verabschiedet werden kann.

UNO-Verträge, wie auch die Klimaverträge, sind rechtlich nie bindend – keine UN-Polizei überwacht einzelne Staaten, ob sie ihre Verpflichtungen auch einhalten. Doch ein regelmäßiger Forschrittsbericht jedes Landes wird immer bei den Umweltgipfel präsentiert, nachlässige Staaten dann von der Staatengemeinschaft ermahnt.

"Historischer Moment"

Die chinesische Gipfelpräsidentschaft sprach nach Ende der Konferenz in Montreal von einem „historischen Moment“. Nicht so die NGO und Umweltschutz-Organisationen: Greenpeace Österreich sieht im Ergebnis der Weltnaturkonferenz einen faulen Kompromiss. Zwar wurden die Rechte der indigenen Bevölkerung anerkannt, doch der starke und vollkommene Schutz von Gebieten, die ins 30x30-Ziel gezählt werden sollen, blieb auf der Strecke.

Zudem wurde die Tür für Greenwashing weit geöffnet, so wurden Kompensationszahlungen als mögliche Finanzierungsquelle für den weltweiten Artenschutz akzeptiert. Greenpeace fordert Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf, den Artenschutz in Österreich entschieden voranzutreiben. Ein erster Schritt sei die rasche Umsetzung der Biodiversitätsstrategie durch die zuständigen Bundesländer.

Der WWF sprach von einem Erfolg mit Schwächen. „Nach langen und schwierigen Verhandlungen haben sich die Staaten auf ein zwar lückenhaftes, aber in wesentlichen Punkten brauchbares Abkommen geeinigt“, sagt Karim Ben-Romdhane vom WWF Österreich, der in Montreal an der Weltnaturkonferenz teilgenommen hat. „Das wichtige Ziel, 30 Prozent der Land- und Meeresfläche zu schützen ist ebenso im Ergebnis enthalten wie die Reduzierung des globalen Fußabdrucks und die Sicherstellung der Rechte indigener Gruppen. Der Erfolg steht und fällt aber mit dem politischen Willen, dieses Abkommen lückenlos umzusetzen sowie die nötige Finanzierung sicherzustellen.“

"Jetzt beginnt die Arbeit"

Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes: „Es ist geschafft: Die nächtelangen Debatten, die sich über zwei Wochen zogen, zeigten Erfolg! Die künftige weltweite Biodiversitätsstrategie ist beschlossen. Der chinesischen Präsidentschaft ist für diesen Verhandlungserfolg durchaus Respekt zu zollen.“

„Die Einigung auf der Weltbiodiversitätskonferenz sendet ein historisches Signal in die Welt. Wir machen den Schutz unserer Artenvielfalt - unserer Lebensgrundlage - zur Priorität“, so Gewessler.

Man wolle künftigen Generationen einen intakten und lebenswerten Planeten übergeben. „Jetzt beginnt die Arbeit der Umsetzung. Jetzt sind wir alle gefordert, den notwendigen Beitrag zu leisten“, betonte die Umweltministerin.

In dem verabschiedeten Dokument wurde unter anderem auch die Rolle indigener Völker und lokaler Gemeinden in weltweiten Naturschutzbemühungen betont, was viele Beobachter als Erfolg werteten. Zudem setzt das Papier das Ziel, die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Pestizide bis 2030 zu halbieren und umweltschädliche Subventionen abzubauen.

Kritik an Zeitraum

Beobachter kritisierten jedoch, dass viele Ziele zu weit in die Zukunft gesetzt und zu wenig qualitativ greifbar gemacht worden seien. Vertreter einiger vor allem ärmerer Länder kritisierten, dass zu wenig finanzielle Hilfen der reicheren Länder eingeplant worden seien.

Diese Einwände seien nicht ausreichend ernst genommen worden, und die Verabschiedung sei am Ende auch gegen Widerstände durchgepeitscht worden, bemängelte beispielsweise der Vertreter der Demokratischen Republik Kongo.

Der 15. Weltnaturgipfel - der auch unter dem Kürzel COP15 läuft - hätte ursprünglich schon 2020 in China stattfinden sollen, wurde dann aber wegen der anhaltenden pandemischen Lage dort verschoben und zerteilt. Der erste Verhandlungsteil fand im vergangenen Oktober hauptsächlich online im chinesischen Kunming statt.

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