Druck auf Europa: Türkei will ausländische IS-Kämpfer abschieben

Ab Montag will Ankara europäische IS-Terroristen in ihre Herkunftsstaaten zurückschicken. Was auf Europa zukommt.

Aine Davis sitzt in einem türkischen Gefängnis. Der Mann ist Brite, er war 2015 in Istanbul festgenommen worden und 2017 von einem türkischen Gericht zu mehr als sieben Jahren Haft verurteilt. Davis hatte sich in den Jahren davor der Terrororganisation „Islamischer Staat“ angeschlossen, war von Großbritannien nach Syrien und in den Irak gereist und hat dort Menschen ermordet, als Geiseln gehalten, gefoltert.

Und jetzt?

Schon morgen könnte er in einem Flugzeug nach London sitzen. Denn der türkische Innenminister Süleyman Soylu hat am Freitag erneut betont, dass die Behörden schon am Montag beginnen werden, ausländische Inhaftierte mit Verbindungen zur Terrororganisation „Islamischer Staat“ in ihre Heimatländer abzuschieben.

Ein Unterfangen, das die Vertreter der kurdischen Autonomieregion in Nordsyrien bereits seit Monaten verfolgen – mit wenig Erfolg. Die Türkei könnte damit aber durchkommen, sagt Nahostexperte Thomas Schmidinger zum KURIER. „Ein juristischer Staat hat andere Möglichkeiten als eine nicht anerkannte Autonomieregion.“ Staaten, die nicht willens waren, eigene – terrorverdächtige – Staatsbürger aufzunehmen, hätten eine „relativ einfache Ausrede“ gehabt. Das ist im Falle der Türkei anders. Der Umstand, dass es Flughäfen gibt, auf denen aus man Abzuschiebende ins Flugzeug setzen könnte, mache die Sache zumindest einfacher.

Österreichische Fälle

Rund 1.200 Männer und Frauen sollen es insgesamt sein, denen Verbindungen zu der Terrororganisation „Islamischer Staat“ vorgeworfen werden. Die türkische Regierung hat in der Vergangenheit mehrmals europäische Staaten dafür kritisiert, dass sie sich weigerten, jene ausländischen Terroristen zurückzunehmen, die in Gefängnissen in der Türkei festgehalten werden.

Derzeit ist nicht bekannt, ob sich auch österreichische Staatsbürger unter den Inhaftierten in der Türkei befinden. Laut Außenministerium befanden sich zu Beginn der türkischen Invasion im kurdischen Autonomiegebiet Mitte Oktober drei Österreicher in nordsyrischen Gefangenenlagern: die Salzburgerin Maria G. und die Wienerin Evelyn P. mit ihren Kindern sowie ein Österreicher mit türkischen Wurzeln.

Bei der türkischen Offensive wurden Tausende IS-Kämpfer und -Familien aus kurdischen Gefangenenlagern befreit. Die beiden Österreicherinnen befinden sich weiterhin in den Lagern. Der Aufenthaltsort des Österreichers ist momentan nicht bekannt.

Der türkische Innenminister Soylu hat zudem mehrmals betont, dass Ankara auch jene Verdächtigen zurücksenden wolle, die mittlerweile staatenlos sind, weil ihre Heimatländer ihnen wegen der Terrorvorwürfe die Staatsbürgerschaft aberkannt haben. Diese Länder könnten sich nicht ihrer Verantwortung entziehen, indem sie „einfach die Staatsbürgerschaft von Ex-Terroristen“ zurücknehmen, so der Innenminister. Die Türkei sei nicht das „Hotel für ausländische Terroristen“.

Für Schmidinger sind die scharfen Worte aus Ankara „ein weiteres Druckmittel“ gegenüber Europa neben den 3,6 Millionen Flüchtlingen. „Aber in diesem Fall ein legitimes“, fügt er hinzu.

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