Am Anfang demütig, dann wieder ganz der Alte: Donald Trumps Parteitagsrede

Am Anfang demütig, dann wieder ganz der Alte: Donald Trumps Parteitagsrede
Nach wenigen Minuten fiel der Präsidentschaftskandidat bei seiner ersten Rede nach dem Mordanschlag in alte Muster zurück.
Dirk Hautkapp

Dirk Hautkapp

Es sollte die große nationale Umarmung werden. Eine Rede, die das zerstrittene Land eint und Brücken baut über tiefe parteipolitische Gräben. So hatten es die Berater von Donald Trump vor dem Schlussakt des Nominierungs-Parteitag der Republikaner in Milwaukee angekündigt. 

Der frisch gebackene Kandidat für die Präsidentschaftswahl im November habe eine ursprüngliche Ansprache, die „extrem hart” mit Joe Biden und den Demokraten ins Gericht gegangen wäre, nach seiner Nahtod-Erfahrung am Wochenende eingestampft und neue Worte finden lassen.

Und in der Tat, die ersten 15 Minuten der von Show-Elementen mit der Senioren-Wrestler-Legende Hulk Hogan, dem Evangelikalen-Prediger Franklin Graham und dem Rap-Sänger Kid Rock flankierten Rede, der ersten nach dem Attentat in Pennsylvania, präsentierte einen zumindest gewandelt klingenden Menschen. 

Zu Beginn zaghaft, leise, gedämpft

Trump sprach zaghaft, leise, gedämpft und sagte ganz am Anfang Sätze, die aufhorchen ließen: „Ich kandidiere, um Präsident für ganz Amerika zu sein, nicht für die Hälfte Amerikas, denn es gibt keinen Sieg, wenn man für die Hälfte Amerikas gewinnt.” Später fordert er, der traditionelle Scharfrichter im politischen Häuserkampf, dass Amerika endlich aufhören müsse, „Meinungsverschiedenheiten zu dämonisieren”. Und dann noch den: „Die Zwietracht und die Spaltung in unserer Gesellschaft müssen geheilt werden.” 

Ist da wirklich etwas ins Rutschen gekommen, als der 78-Jährige in Pennsylvania dem Tod von der Schippe sprang?

"Hatte Gott an meiner Seite"

Trump erzählt fast demutsvoll klingend, wie es war, als eine Gewehrkugel sein Ohr streifte. Wie auf einmal alles voller Blut gewesen sei. Wie die Agenten vom Secret Service sich aufopferungsvoll auf ihn gestürzt hätten, um ihn zu schützen. Wie er gesehen habe, dass das Publikum bei ihm blieb. „Ich fühlte mich sicher, ich hatte Gott an meiner Seite.” 

Um dem bei dem Attentat ums Leben gekommenen Firefighter Corey Comperatore zu gedenken, küsst Trump melodramatisch eine bereitgestellte Feuerwehrmann-Uniform und berichtet von einer Millionen-Spende für die Angehörigen. Szenen, die in der von über 15.000 Menschen besuchten Fiserv-Arena für Tränenfluss sorgen. Besonders als er mit Rückgriff auf den Attentäter sagt: „Ich sollte heute nicht hier sein.”

Doch Trump, der Überlebende mit dem großen, weißen Pflaster am rechten Ohr, ist in Wahrheit immer noch ganz der Alte. Mit fortlaufender Redezeit wird klar: Das mit der demütigen Stimme war nur geschauspielert. Immer häufiger fällt er schon bald in das schräpige, aggressive Timbre zurück, dass man schon hundertfach gehört hat. Inklusive Sätzen, die nicht nach Einheit und Neuanfang schmecken. Sondern nach Vertiefung der Spaltung.

Am Anfang demütig, dann wieder ganz der Alte: Donald Trumps Parteitagsrede

"Zehn schlimmsten Präsidenten nicht so schlimm wie Biden"

Der Leitsatz der Litanei, die im Hallenrund viele sichtbar ermüdet, es war bereits 22.30 Uhr, geht so: „Die zehn schlimmsten Präsidenten dieses Landes sind zusammen genommen nicht so schlimm wie Joe Biden.” Was der Demokrat Amerika angetan habe, sei „unglaublich”. Was denn?

Die hohe Inflation. Die noch höheren Preise für Benzin und den Supermarkt. Die mordenden und vergewaltigenden illegalen Einwanderer an der Grenze zu Mexiko. Und, und, und. Fazit: „Wir sind ein Land im Abstieg.” Trump ist inzwischen ganz auf der üblichen Betriebs-Temperatur seiner Polemik-Küche angekommen. Die Angriffe auf den Gegner werden zum Sperrfeuer. 

So sollen die Demokraten (es sind Gerichte, die über ihn urteilen) endlich die „Hexenjagd” (gemeint sind die Prozesse) gegen ihn einstellen; alle. Habe doch eh keinen Zweck, ist seine Botschaft. „Wir werden sowieso gewinnen.” Auch wenn die Demokraten „gerne bei den Wahlen schummeln”. Letztens hätten sie „Corona benutzt, um zu betrügen”.

"Sind zu einer Müllhalde geworden"

Ab Minute 45 wird es immer wirrer, düsterer, konfuser. Und langatmiger. Man weiß nicht, ob das monotone Herunterrasseln von hinlänglich bekannten Versatzstücken vom Teleprompter kommt oder aus Trump selber. Neue Politik-Angebote, bis auf die versprochene Massen-Abschiebung von illegalen Einwanderern, gibt es nicht. 

Trump hasst die Einwanderer, das wird klar. „Sie kommen von überall”, sagt er und fügt hinzu: „Wir sind zu einer Müllhalde für den Rest der Welt geworden.” Menschen gleich Müll? Was daran ist versöhnlich? 

Auch sein Versprechen, „jede einzelne internationale Krise zu lösen”, von Ukraine/Russland bis Israel/Gaza, hat man schon hundert Mal gehört. Wie er das schaffen will, bleibt unscharf. 

Am Ende kommt die ganze Familie, auch Gattin Melania ist nach monatelanger Abwesenheit ganz in Rot anwesend, auf die Bühne. Blau-weiß-rote-Luftballons regnen herab von der Hallendecke. Wer noch kann im Publikum, klatscht. Dann ist der Parteitag vorbei. In vier Monaten wird gewählt. Trump, das Attentatsopfer - wie gehabt.

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