Zieht er doch noch zurück? Für Joe Biden hat das Endspiel begonnen
Für Joe Biden, der zu allem Überfluss jetzt auch noch an Corona erkrankt ist, hat das Endspiel um seine zweite Präsidentschafts-Kandidatur begonnen. Alles sieht danach aus, dass dem 81-Jährigen die „Blutgrätsche” aus der eigenen „Mannschaft” droht. Wenn er nicht zügig aus Altersgründen seinen Verzicht erklärt, bei der Wahl im November gegen Donald Trump anzutreten.
Weil alle Versuche demokratischer Parteigrößen bisher gescheitert sind, den Amtsinhaber nach dem Filmriss-TV-Duell mit dem Republikaner vor drei Wochen hinter den Kulissen von einem Rückzug zu überzeugen, sickern nadelstichartig immer mehr Details aus eben jenen Gesprächen an renommierte US-Medien durch.
Danach steht Biden auf so gut wie verlorenem Posten. „Wenn er keine offene Revolte will, die in eine öffentliche Schlammschlacht ausarten würde, muss er sich schnell bewegen”, sagte ein demokratischer Parteistratege aus Washington dieser Zeitung.
Die Zeit wird knapp
Das wichtigste Triumvirat der Partei - Nancy Pelosi, Ex-Sprecherin des Repräsentantenhauses, Senats-Mehrheitsführer Chuck Schumer und Hakeem Jeffries, der Fraktionschef im Repräsentantenhaus - hat Biden über Tage mit verteilten Rollen eindringlich ans Herz gelegt, aufzugeben. Damit rechtzeitig vor dem Nominierungs-Parteitag Mitte August in Chicago eine Alternative aufgebaut werden kann. Namen wurden nicht bekannt. Aber es liegt nahe, dass Vize-Präsidentin Kamala Harris eine Rolle spielen würde.
Kern-Begründung: Umfrage-Zahlen deuteten inzwischen auf eine klare Niederlage für Biden gegen Trump hin. Und: Weil zeitgleich am 5. November das Parlament neu gewählt wird, könnte den Demokraten die Mega-Klatsche drohen. Sprich: Neben dem Verlust des Weißen Hauses eine republikanische Super-Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses.
Biden sieht Kopf-an-Kopf-Rennen
Biden behauptet, die Meinungsforschung sei längst nicht so widrig. Er befinde sich, so der Amtsinhaber in mehreren Interviews, mit Trump immer noch in einem Kopf-an-Kopf-Rennen.
Dagegen hat das von Demokraten beauftragte Institut „Blue Rose Research” ermittelt, dass nur noch 18 Prozent aller Wähler und 36 Prozent derer, die 2020 für ihn gestimmt haben, glauben, dass Biden dem Präsidentenamt gewachsen ist.
Noch mehr Besorgnis löst aus, dass die Umfragen einen Erdrutschsieg für Trump nahelegen; selbst in Bundesstaaten wie Minnesota oder New Mexiko, die traditionell demokratisch gewählt haben bisher.
In den sieben am meisten umkämpften Swing-States, von denen Biden unbedingt Pennsylvania, Michigan und Wisconsin gewinnen müsste, um auf 270 Stimmen im „electoral college” zu kommen, liegt der Präsident inzwischen außerhalb der Fehler-Marge fünf Prozentpunkte hinter Trump.
Geldgeber halten Beträge zurück
Hiobsbotschaft obendrauf: Hollywood-Mogul Jeffrey Katzenberg, einer der treuesten Organisatoren von Wahlkampf-Spenden, hat dem Biden-Team signalisiert, dass bald Ebbe in der Kasse droht. Etliche Geldgeber hielten Beträge zurück, solange Biden nicht den Weg freimacht.
In dieser Gemengelage musste sich Biden am Mittwochnachmittag unerwartet aus dem Spiel nehmen. Bei Wahlkampf-Auftritten in der Glücksspielstadt Las Vegas im Bundesstaat Nevada fühlte sich der 81-Jährige plötzlich unwohl, klagte über Atemwegsbeschwerden und eine laufenden Nase. Diagnose von Leibarzt Kevin Connor: Corona.
Umgehend wurde das Programm abgebrochen. Biden, der vollständig geimpft ist, flog zurück an die Ostküste, wo er sich in seinem Sommerhaus in Rehoboth Beach/Delaware isoliert. Wie das Weiße Haus mitteilt, hat der Patient „leichte Symptome”, sei voll arbeitsfähig und wurde mit einer ersten Dosis des gegen Corona entwickelten Medikaments Paxlovid behandelt.
Ungünstiger Zeitpunkt
Für Biden kommt die Zwangspause zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Seit seinem geistesabwesenden, hinfälligen Auftritt mit Donald Trump hat sich Biden unter den Zwang gesetzt, durch möglichst viele öffentliche Termine, freihändig gegebene Interviews und Kundgebungen seine Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Dabei unterliefen ihm regelmäßig Versprecher. Er verlor wieder den den Faden. Viele empfanden Mitleid. Jetzt hat ihm sein Immunsystem die Rote Karte gezeigt.
Wie sehr die Uhr für Biden tickt, beweist der Auftritt von Adam Schiff. Als erster Demokrat von Rang im Kongress hat der Abgeordnete aus Kalifornien, der jeden Schritt mit Nancy Pelosi koordiniert, Biden öffentlich zum Rückzug gedrängt. Seine Botschaft: Die Aussicht auf eine Trump-Präsidentschaft erfordere harte Maßnahmen. Sprich: einen Kandidaten, der gewinnen kann. Biden sei das nicht mehr.
Geht er nun, im Gespräch mit First Lady Jill Biden und den engsten Familien-Mitgliedern und Beratern, am Wochenende in sich? Oder will er mit dem Kopf durch die Wand und die Entscheidung in Chicago erzwingen?
Zögern heißt nicht ausschließen
Biden hat die Tür zum Ausstieg selber einen Spalt weit geöffnet. In einem Fernseh-Interview sagte er, auf die Frage, was ihn veranlassen könne, seine Entscheidung zu überdenken, an der Kandidatur für eine zweite Amtszeit festzuhalten. „Wenn eine medizinische Beeinträchtigung auftreten würde, wenn Ärzte sagen würden, Du hast dieses oder jenes Problem”, erklärte der 81-Jährige
Joe Biden nahm erneut für sich in Anspruch, auch mit Hilfe von Altersweisheit viele Gesetzesvorhaben durch den Kongress gebracht zu haben, die den Vereinigten Staaten nutzten. Da diese Arbeit noch nicht beendet sei, „zögere ich, jetzt einfach wegzugehen”. Zögern heißt nicht ausschließen. Der Anfang vom Ende scheint gemacht.
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