„Trump hat schon in seiner ersten Amtszeit 2016 von Anfang an ein paar grundlegende Dinge richtig verstanden, die den Amerikanern zu schaffen machen“, sagt Stephen Walt. So meint der an der Universität Harvard lehrende US-Politologe im Gespräch mit dem KURIER:
„Er hat gesehen, dass die Migration nicht wirksam gemanagt wird. Dass die Globalisierung mit ihren offenen Grenzen für alle Handelsströme nicht unbedingt nur gut ist. Er hatte außerdem Recht damit, dass die meisten Amerikaner diese ewigen Kriege in Afghanistan und im Irak nicht mehr wollten. Und er hat auch begriffen, dass manche Alliierten zu abhängig vom amerikanischen Schutz sind.“
Doch Stephen Walt hat noch nicht einmal richtig ausgeatmet, als er sofort nachsetzt: „Aber Trump hatte nicht unbedingt die guten Antworten, auf keine dieser Herausforderungen.“
Die Lösung für fast alle Probleme
Eine von Trumps General-Lösungen für eigentlich fast alle Probleme: Zölle. Mit derartigen Drohungen gegen Mexiko und Kanada will er weniger Zuwanderung erzwingen. Der Europäischen Union droht er wegen des Handelsdefizits mit Importzöllen in Höhe von zehn bis 20 Prozent, auf Produkte aus China sogar in Höhe von 60 Prozent. "Wir wollen die Hunderte Milliarden Dollar aus den Zöllen zum Nutzen unserer Bürger einsetzen und damit unsere Staatsschulden abzahlen", versprach Trump noch kurz vor den Wahlen auf dem Detroit Economic Forum.
Wobei hier ausgerechnet einer von Trumps neuerdings engsten „buddys“ gegenhalten könnte: „Elon Musk könnte Trump bei den Zöllen bremsen“, glaubt Stephen Walt, „Unternehmer wie er brauchen freie Handelswege.“ Auch ins von Trump so angefeindete China – aber erst müsse man sehen, meint der US-Politologe ein wenig skeptisch, wie weit der Einfluss des IT-Milliardärs auf den nächsten US-Präsidenten tatsächlich gehe. Und wie lange oder kurz es wohl dauern werde, bis sich die zwei Alphatiere Trump und Musk entzweien.
Sicher ist schon jetzt: „America first“ – das bedeutet mehr Druck auf Europa. Was sich aber nicht nur in Nachteilen zeigen muss - insofern Europa die richtigen Antworten findet.
So wird etwa der Druck auf europäische Unternehmen steigen, ihre Produktion in die USA zu verlagern, mehr in den USA direkt zu investieren. Die Antwort darauf kann laut Wirtschaftsexperten nur lauten: den eigenen, europäischen Wirtschaftsstandort stärken. Nur ein dynamischer, von zu viel Bürokratie befreiter europäischer Binnenmarkt sei ein Garant dafür, nicht zwischen den Giganten USA und China aufgerieben zu werden.
Was so viel bedeutet wie: Trumps positivste Impulse für Europa liegen darin, dass er den alten Kontinent indirekt zwingt, sich selbst besser zu positionieren. In seiner Wirtschaftskraft – ebenso wie in seiner Sicherheit.
Ganz einfache Gleichungen
„Trumps Welt ist eine von Gegnern und Wettbewerbern, die Vorstellung einer Allianz ist ihm völlig fremd. Er denkt in ganz einfachen Gleichungen von Plus und Minus und ordnet die Welt danach“, sagt Michael Werz, Philosoph und Politikwissenschafter (Georgetown University).
Für Europa bedeute das: „Die EU muss einfachere Aufnahmeprozesse neuer Mitlieder durchsetzen, das muss viel schneller gehen.“ Größer werden, stärker werden, neue Verbindungen schaffen.
„Europa muss mit den asiatischen Ländern besser kooperieren, nicht nur mit Japan, Südkorea und so weiter, sondern auch mit Australien, Neuseeland. Es muss mit den demokratischen Länder des Globalen Südens zusammenarbeiten. Da muss Europa muss Offerte mitbringen, ich meine wirtschaftspolitische Kooperationen und weniger Entwicklungszusammenarbeit.“
Wenn die USA mit Donald Trump als klassischer Verbündeter ausfällt, dann müsse Europa halt selbst an einer „Koalition der WIilligen“ arbeiten, meint der gebürtige Deutsche Werz. Und er ist überzeugt: „EU und NATO werden durch Trump institutionell in den nächsten vier Jahren gefordert werden.“
Mehr Geld für die Verteidigung
In der NATO hatte Trumps Poltern, er werde die USA aus dem „obsoleten“ Militärbündnis herauslösen, schon während dessen erster Amtszeit für Panik gesorgt. Diese Drohungen, aber auch der russische Krieg gegen die Ukraine hatten die Europäer letztlich dazu getrieben, ihre Verteidigungsausgaben nach oben zu schrauben: 23 der 32 NATO-Staaten haben bereits das Ziel erreicht, 2 Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben (2018 waren es nur 6 Staaten).
Für Trump noch lange nicht genug – schon wieder droht der nächste US-Präsident, er werde die USA aus der NATO austreten lassen. Und schon jetzt fordert auch der neue NATO-Chef Mark Rutte: Mit dem 2-Prozent-Ziel sei es wohl nicht getan, es würden schon 3, vielleicht sogar 4 Prozent werden müssen. Nach dem Motto: Im Grunde hat Trump ja recht, man will sich nur nicht mehr vom Rüpel im Weißen Haus maßregeln lassen
Raus aus der eigenen Blase
Selbst die heimischen Wissenschaftler blicken angesichts von Trump 2.0 nicht alle skeptisch in die Zukunft. Zwar rechnet ein Großteil mit Kürzungen bei der Grundlagenforschung und Umstrukturierungen sowie mit einer Zunahme der Wissenschaftsfeindlichkeit, doch Walter Scheidel, Professor für Geschichte an der Stanford University, sieht in der Wahl Trumps auch positive Aspekte: Dieser könnte in den Geistes- und Sozialwissenschaften eine kritische Selbstreflektion anstoßen. Trump könnte so Forschende dazu bringen, ihre akademische „bubble“ zu verlassen und sich wieder stärker mit der breiten Öffentlichkeit in einen Diskurs zu begeben.
Wird das Beste, was von Trump zu erwarten ist, nach vier Jahren im Weißen Haus sein Abgang sein? Wird man fürchten müssen, dass er einfach weiter regieren will?
„Wenn er das wollte,“, sagt Politologe Stephen Walt, „braucht er einen Verfassungszusatz. Aber nachdem das Trumpteam in die Justiz immer mehr seiner Leute reingesetzt hat, inklusive in den Supreme Court, kann man nicht völlig ausschließen, dass Trump etwas Nicht-Verfassungsmäßiges versucht. Ob er damit durchkommt, ist wieder eine andere Sache.“
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