Die nützliche Niederlage der Demokraten
Zehn Stimmen fehlten den US-Demokraten, um das Kapitel Donald Trump – zumindest politisch – abzuschließen. Hätte der Senat am Samstag mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit (67 der 100 Abgeordneten) den ehemaligen US-Präsidenten nachträglich seines Amtes enthoben, hätte Trump sich um kein politisches Amt mehr bewerben dürfen.
Der Versuch schlug – wie erwartet – fehl. Stattdessen konnte Trump seine Mär von der „größten Hexenjagd in der Geschichte unseres Landes“ weitererzählen: „Unsere historische, patriotische und schöne Bewegung, Amerika wieder großartig zu machen, hat jetzt erst angefangen“, tönte er nach seinem Freispruch.
Zudem erweckten die Demokraten bereits während des Verfahrens einen lustlosen Eindruck. Etwa nachdem am Samstag überraschend eine Mehrheit dafür gestimmt hatte, mit der republikanischen Abgeordneten Jaime Herrera Beutler eine brisante Zeugin vorzuladen. Ihre Aussage, wonach Trump beim Sturm aufs Kapitol am 6. Jänner absichtlich nichts unternommen habe, den Mob zu stoppen, hätte dem Verfahren eine Wendung geben können.
Negatives Schlaglicht
Hätte. Denn die Ankündigung von Trumps Verteidigung, in diesem Fall Hunderte weitere Zeugen vorzuladen, ließ die Demokraten einknicken. Zu lange hätte sich das Verfahren gezogen, womöglich über Monate. Die Berichterstattung darüber hätte womöglich die Arbeit von US-Präsident Joe Biden überschattet – für die Demokraten das größere Übel angesichts einer nach wie vor absehbaren Abstimmungsniederlage im Senat. Zudem hätten die weiteren Zeugenaussagen der Trump-Verteidigung ein negatives Schlaglicht auf demokratische Politiker geworfen, die am 6. Jänner auf einen Aufmarsch von weiteren Sicherheitskräften verzichtet hatten.
Zu martialisch hätten etwa Soldaten der Nationalgarde gewirkt. Somit vollzogen die Demokraten die Kehrtwende und ließen abstimmen – mit dem bekannten Ergebnis.
Allerdings offenbarte dieses einmal mehr die Spaltung der Republikaner. Noch nie hatten sieben Abgeordnete einer Partei bei einem Amtsenthebungsverfahren gegen ihren Präsidenten gestimmt. Und die Schuldfrage scheint klar: „Es ist nicht zu bezweifeln, dass Trump moralisch und praktisch für die Vorkommnisse des 6. Jänner verantwortlich ist“, sagte der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell.
Zahlreiche Unterstützer
Er begründete aber seine Entscheidung für Trump mit dem Argument, dass abgewählte Präsidenten nicht mehr ihres Amtes enthoben werden können.
Der einzige Weg, Trump zu bestrafen, sei durch das Justizsystem. Und da kommt viel auf den Ex-Präsidenten zu: In zahlreichen Fällen soll bereits gegen ihn ermittelt werden. Dass sich immer mehr republikanische Politiker öffentlich von Trump abwenden, ist die eine Sache.
Die Basis scheint es (noch) nicht zu tun: Laut Umfragen befürworteten nur 13,6 Prozent der republikanischen Anhänger eine Amtsenthebung Trumps. Die bedrückenden Videos vom Sturm aufs Kapitol, die die Demokraten auch am Samstag im Senat zeigten, dürften einen großen Teil der Trump-Unterstützer ungerührt lassen. Andere Umfragen zeigten, dass Republikaner, die sich gegen Trump gestellt hatten, in der Wählergunst verloren.
Während sich die Demokraten nun ganz auf Bidens Kampf gegen die Pandemie konzentrieren können, wird die „Grand Old Party“ also noch einige Zeit mit sich selbst beschäftigt sein.
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