Die blutige Taktik des Söldner-Chefs
"Trinkt nicht zu viel, nehmt keine Drogen und vergewaltigt keine Frauen", sagte Jewgeni Prigoschin vergangenen Donnerstag zu seinen Kämpfern – ehemaligen Strafgefangenen, die nun begnadigt sind. Sechs Monate hatten sie für die Söldnertruppe Wagner in der Ukraine gekämpft und überlebt – ihre Belohnung war die Begnadigung.
Kanonenfutter
Währenddessen sterben Hunderte ihrer ehemaligen Mitinsassen in den Schützengräben rund um Bachmut, jener ukrainischen Stadt, die von Prigoschins Wagner-Gruppe seit Juni belagert wird. Seit Jahren dienen seine Kämpfer – ganz nach dem Vorbild der US-Söldnertruppe "Blackwater" – russischen Interessen im Ausland, wie in Syrien oder Mali. Immer wieder tauchen Berichte über Massaker an der Zivilbevölkerung auf.
Anders als den regulären Soldaten der russischen Streitkräfte winken den Söldnern hohe Prämien für die Teilnahme an Kampfhandlungen, während die verurteilten Straftäter, die Prigoschin aus russischen Gefängnissen rekrutiert hat, als Kanonenfutter gelten. Ob es um einzelne Häuserblocks oder Grabensysteme geht – sie werden in einer ersten Welle vorgeschickt, sollen Schwachstellen in der ukrainischen Verteidigung herausfinden und sterben dabei massenhaft. Die erfahrenen Söldner nutzen die erkannten Schwachstellen in einer zweiten Angriffswelle aus.
Hoher Blutzoll
Diese Taktik dürfte in der Stadt Soledar, etwa zwölf Kilometer nördlich von Bachmut, Erfolg gehabt haben. Auch wenn Moskau und Kiew noch von weiteren Kampfhandlungen dort sprechen, ist der Wagner-Gruppe ein militärischer Coup gelungen. Nach heftigen Kämpfen haben sie das Zentrum der Stadt erreicht, wie Videos belegen. Dass dabei auf beiden Seiten ein massiver Blutzoll entrichtet wurde, dürfte weder den Kreml noch Prigoschin groß stören, bestand der Großteil der getöteten Wagner-Söldner doch aus Straftätern. Die ukrainischen Verteidiger mussten heftige Verluste hinnehmen. Obwohl strategisch nicht unbedingt wichtig, hat sich die Schlacht um Bachmut zu einer Prestige-Angelegenheit entwickelt – erst kürzlich besuchte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij die Stadt, lange galt sie als Symbol des ukrainischen Widerstands.
Sollte Soledar fallen, wäre das der erste militärische Erfolg Russlands seit dem Frühsommer. Ein Erfolg, den sich Prigoschin schon jetzt allein auf seine Fahnen heftet und klar unterstreicht, dass es seine Kämpfer gewesen wären, die die Stadt eingenommen hätten. Damit bringt sich der ehemalige Koch des russischen Präsidenten auch innenpolitisch klar in Stellung. Er führt die Fraktion der Hardliner in Russland an, macht aus der Existenz seiner lange geheimgehaltenen Söldnertruppe kein Hehl mehr. Im November eröffnete ein Wagner-Büro in St. Petersburg.
Noch dürfte er für Putin keine Gefahr darstellen, doch die Macht der Wagner-Gruppe hat seit Kriegsbeginn zugenommen. Denn die von russischen Gerichten verurteilten Gefangenen werden von Prigoschin begnadigt und heimgeschickt. Einer der ersten Freigänger erschlug seine Großmutter mit einem Hammer. Weiter bezahlt werden sie nicht von Russland, sondern von Prigoschin. Selbst wenn er unter den Eliten keine Freunde hat – erste Gouverneure lassen sich mit ihm ablichten. Wohl aus Furcht vor den Männern, die jetzt frei auf ihren Straßen gehen.
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