Die Augen Pekings in Belgrad
„Wir werden wissen, aus welcher Straße er kam, aus welchem Auto, wer vorher in diesem Auto gesessen hat“, sagte Nebojša Stefanović einst, als er 2019 das „Safe City“-Projekt für Belgrad vorstellte: Tausende Kameras an Hunderten öffentlichen Plätzen der Stadt, die mit einem von Huawei entwickelten Programm zur Gesichtserkennung in Echtzeit verbunden sind, sollen garantieren, dass Kriminelle sofort identifiziert und verfolgt werden können. Rund tausend solcher Kameras sind mittlerweile angebracht.
Eingesetzt werden sie jetzt aber offenbar nur begrenzt. Denn nach heftiger Kritik aus dem EU-Parlament hat sich Beitrittskandidat Serbien dazu entschlossen, zumindest die umstrittene Echtzeit-Gesichtserkennung zunächst nicht einzusetzen.
EU und USA, ebenso wie Bürgerrechtsorganisationen in Serbien, hatten seit Ankündigung des Projekts mehrfach ihre Skepsis angemeldet. Denn sie fürchten, dass diese Technologie dafür genutzt werden könnte, das autoritäre System Aleksandar Vučićs zu stärken. Im gegenwärtigen politischen Klima Serbiens würden die Bürger sich durch die Überwachung eher unsicherer als sicherer fühlen, so die Kritik.
Wohin mit den Daten?
Hinzu kommen Datenschützer, die befürchten, Huawei könnte die gespeicherten Daten weitergeben. Der Technologiekonzern jedenfalls behauptet, nur Lieferant des Produkts zu sein, sich an alle geltenden Gesetze in Serbien zu halten: „Eigentümer des Projekts ist das Innenministerium der Republik Serbien. Wir stellen Geräte bereit und arbeiten als Datenverarbeiter auf der Grundlage von Kundenanweisungen“, zitiert das Foreign Policy-Magazin einen Sprecher von Huawei.
Serbien ist lange nicht das erste Land, das mit der chinesischen Überwachungstechnologie experimentiert. Die Financial Times zitiert dazu eine US-Studie, die 144 Städte zählt, die sich seit 2009 für ähnliche Technologien entschieden haben. Von 62 Ländern weltweit, mit denen entsprechende Verträge gemacht wurden, gelten 41 bei der Demokratiebeobachtungs-NGO Freedom House als „unfrei“ oder nur „teilweise frei“.
Die Ängste der Datenschützer und Menschenrechtler beziehen sich vor allem auf Beobachtungen in China. Der Regierung wird vorgeworfen, Überwachungstechnologie gegen politisch Andersdenkende einzusetzen. Insbesondere gegen die muslimische Minderheit der Uiguren.
Umstrittene Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit Serbiens mit China geht auf das Jahr 2009 zurück. 2017 unterzeichneten Huawei und die serbische Regierung eine strategische Partnerschaft, die sich auf den Ausbau der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur in serbischen Bildungseinrichtungen erstreckt.
In Serbien wurde in den vergangenen Jahren ein Boom an Infrastrukturprojekten mit chinesischer Handschrift beobachtet, die etwa umstrittene Straßen-, Bahn- und Energie-Projekte umfassen. Spätestens seit der Kooperation bei der Corona-Hilfe ist China auch bei serbischen staatlich kontrollierten Medien hoch angeschrieben – und damit bei einem wachsenden Teil der Bevölkerung.
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