Die linke Wende in Lateinamerika ist in erster Linie eine Reaktion auf die wirtschaftliche Krise, in der Lateinamerika dank der grassierenden Korruption schon seit Jahren steckt. Eine Krise, die sich infolge des Klimawandels langsam, aber stetig und infolge der Pandemie schlagartig verschlimmerte.
Links ist nicht gleich links
Gerade die jüngeren Lateinamerikaner machten dafür die in den meisten Ländern lange dominanten Rechtspopulisten verantwortlich, die oftmals auch Vertreter der wohlhabenden Elite sind. In Brasilien leugnete der rechtsextreme, noch bis 31. Dezember amtierende Präsident Jair Bolsonaro sogar regelmäßig die Existenz von Klimawandel und Coronavirus.
Politische Einheit bedeutet der Linksruck aber noch lange nicht, die Unterschiede zwischen konservativen und progressiven Linken, etwa beim Umweltschutz, sind groß. Sie reiben sich auch an der Frage auf, wie mit den linksautoritären Regimen in Kuba, Venezuela und Nicaragua umzugehen ist. Die länderübergreifenden Probleme des Kontinents werden sich nicht nur auf nationaler Ebene lösen lassen.
Seit Sonntag ist auch das größte, wirtschaftlich stärkste und einwohnerreichste Land Lateinamerikas ist nach links gerückt. Haarscharf gewann Luiz Inácio „Lula“ da Silva am Sonntag mit 50,9 Prozent gegen den amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro. Lula war bereits von 2002 bis 2010 Präsident Brasiliens. Zuletzt saß er 580 Tage wegen angeblicher Korruption in Haft, das Urteil wurde nachträglich aufgehoben.
Mexiko
Der einwohnerstärkste spanischsprachige Staat der Welt wird seit 2018 von Andrés López Obrador regiert. Er gilt als konservativer Linker, der aus Sicht seiner Kritiker zu wenig auf Umweltschutz und feministische Politik setzt. Obrador hat sich dem Kampf gegen Korruption und Kriminalität verschrieben, doch die Gewalt im Land bleibt hoch.
Argentinien
Alberto Fernández ist seit Dezember 2019 Präsident Argentiniens. Er setzt die Politik der linkspopulistischen Präsidenten Néstor Kirchner (2003-2007) und dessen Nachfolgerin Cristina Fernández de Kirchner (2007-2015) fort, deren Kabinettschef er jeweils war. Sein Land steckt seit der Pandemie in einer Wirtschaftskrise, Fernández steht in der Kritik.
Peru
Seit bald einem Jahr wird Peru von Pedro Castillo regiert. Der Mann mit dem Hut entstammt einer der ärmsten Regionen des Landes und weiß den Großteil der indigenen Bevölkerung hinter sich. Castillo gilt als Hardliner, trat im Wahlkampf rassistisch auf und musste bereits zwei Amtsenthebungsverfahren überstehen. Sein Land ist aufgrund der hohen Inflation in Unruhe.
Chile
Die wirtschaftliche Vorzeigenation Südamerikas wird seit dem 11. März vom ehemaligen Studentenführer Gabriel Boric regiert, mit 36 der jüngste Präsident der chilenischen Geschichte. Er gilt als progressiv, will das Pensionssystem reformieren und eine staatliche Krankenversicherung etablieren. Mit Kuba, Venezuela und Nicaragua liegt er im Clinch.
Kolumbien
Seit dem 19. Juni regiert erstmals ein linker Präsident Kolumbien. Der ehemalige Guerilla-Kämpfer Gustavo Petro ging aus einem wilden Wahlkampf mit dem Rechtspopulisten Rodolfo Hernández als Sieger hervor und löst damit Iván Duque ab, unter dem seit 2018 Korruption und Polizeigewalt zugenommen hatten. Petro gilt vor allem für Junge als Hoffnungsträger.
Kommentare