Iran-Krise erklärt: Die Gier nach Macht im Mittleren Osten
Auch wenn die USA und der Iran nach der jüngsten Eskalation vorerst auf Beruhigung setzen – seit der Gründung der Islamischen Republik im Jahr 1979 herrschen massive Spannungen zwischen beiden Staaten.
Der Absturz des Flug PS 752 mit 176 Menschen an Bord könnte die Krise weiter befeuern - beide Seiten haben verschiedene Versionen der Geschichte. Auch das ist im Mittleren Osten nichts Neues.
Geiseldramen, US-Bombardements auf iranische Schiffe in der Straße von Hormus, zahlreiche Stellvertreterkriege und wirtschaftliche Sanktionen – das Ringen beider Staaten um Einfluss in der Region ist seit mehr als 40 Jahren ein hartes. Der Iran beansprucht, die Schutzmacht aller Schiiten in der Region zu sein und hat das vor allem im Libanon, in Syrien, im Irak und im Jemen geschafft.
Saudis als Verlierer
Sein härtester Konkurrent in diesem Ringen ist neben den USA Saudi-Arabien, das aufgrund seiner wahhabitischen Ausrichtung – eine besonders radikale Auslegung des sunnitischen Islam – die Vormachtstellung in Nahen- und Mittleren Osten beansprucht.
Mit hohen Geldsummen unterstützte Riad beispielsweise radikale Terroristen in Syrien, um den dortigen Machthaber Bashar al-Assad zu stürzen – und geriet somit in einen Stellvertreterkrieg mit dem Iran.
Kurswechsel im Irak
Letzterer scheint diesen sowohl in Syrien, als auch im Irak gewonnen zu haben. Sah sich der Irak unter Saddam Hussein jahrzehntelang als Teil einer arabischen Allianz, so driftet die Politik in Bagdad mehr und mehr in Richtung Iran.Was oft vergessen wird: Ungefähr zwei Drittel der irakischen Bevölkerung sind Schiiten.
In den vergangenen Jahren hatte der Iran seinen Nachbarn nicht nur militärisch unterstützt, sondern sich auch durch neue Fernsehsender und Lebensmittellieferungen mehr und mehr in die irakische Gesellschaft eingemischt. 2016 erließ Iraks Parlament das Gesetz, dass schiitische Milizen zu den Sicherheitskräften des Irak gehören.
Für Teheran ein Sieg auf ganzer Linie.
Als das Parlament vergangenen Sonntag beschloss, dass alle ausländischen Soldaten den Irak verlassen sollen, trauten sich die iranskeptischen Abgeordneten zum größten Teil nicht einmal zur Abstimmung.
Libanon als Spielball
Nahezu alle Versuche Saudi-Arabiens, dies zu unterbinden, sind bis dato fehlgeschlagen. Beispielsweise 2017, als der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman den damaligen Premier des Libanon, Saad Hariri, in Riad festhielt und unter Druck setzte, die schiitische Hisbollah an die kurze Leine zu nehmen. Damit wollte er den wachsenden Einfluss Teherans auf den Libanon eindämmen.
Mittlerweile hat Teheran den „Schiitischen Halbmond“, einen pro-iranischen Korridor zwischen dem Iran und dem Libanon, in die Tat umgesetzt. Israel sieht sich dadurch einer massiven Bedrohung ausgesetzt, fliegt immer wieder Angriffe auf proiranische Stützpunkte in Syrien. Bereits 2012 hatte die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton dazu aufgerufen, Assad zu stürzen, um den „Schiitischen Halbmond“ zu verhindern.
Ambitionierte Türkei
In Syrien – und damit in die Machtpolitik der Region – mischt sich auch die Türkei ein. Auch wenn der türkische Präsident Recep Erdoğan zum Teil dieselben Islamistengruppen wie Saudi-Arabien unterstützt, verfolgt er eine andere Strategie, sieht sich in Tradition des Osmanischen Reiches und damit als „Bewahrer des Islam“.
Ein enger Verbündeter der Türkei ist Katar, das zwar ein kleines Land, doch durch seinen Reichtum und seinen politisch wichtigen Sender Al Jazeera kein unwichtiger Faktor im Machtspiel am Golf ist.
Russland nutzt Vakuum
Auch wenn es in Anbetracht der jüngsten Ereignisse nicht danach aussieht: Die USA wollen sich weniger in der Region engagieren, als noch zu Beginn des Jahrtausends.
Als Barack Obama 2013 kein Großkontingent nach Syrien sandte, schlug für Wladimir Putin die Stunde – Russland gilt mittlerweile als Schwergewicht in Nahen und Mittleren Osten.
Der IS lauert
Im Irak, wo der Aufstieg der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) seinen Anfang nahm, ist der IS vor allem in der sunnitischen Bevölkerung nach wie vor in den Köpfen. Fährt Bagdad weiterhin seinen immer mehr proiranischen Kurs, könnte die Terrormiliz bald wieder mehr Zulauf erhalten.
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