Den Russen gehen die High-Tech-Raketen aus: Warum das schlecht für die Ukrainer ist
Abermals Luftalarm in der gesamten Ukraine, abermals schlugen russische Raketen in einigen Städten ein, beschädigten wieder Teile der kritischen Infrastruktur, wie etwa das Kohlekraftwerk Ladyschyn oder ein Heizkraftwerk südwestlich von Kiew. 20 Raketen schlugen insgesamt ein, dazu kommen iranische Kamikazedrohnen, die seit einigen Wochen in der Ukraine im Einsatz sind.
Derzeit sind laut Kiew etwa 300 Ortschaften ohne Strom, in mehr als 3.500 Ortschaften sei die Versorgung bereits wieder hergestellt. Den russischen Hardlinern sind die bisherigen Schläge zu wenig: "Die gestrigen Schläge haben das Land nicht für längere Zeit ins Mittelalter zurückversetzt. Denn alle Schäden, die bisher entstanden sind, konnten behoben werden", heißt es in einflussreichen Militärblogs. Es sei notwendig, "die ukrainische Bevölkerung stärker in Panik zu versetzen und damit die Moral der ukrainischen Streitkräfte zu mindern". Allerdings weist vieles daraufhin, dass der Kreml nicht wahllos Raketen und Marschflugkörper einsetzen wird können: Seit Kriegsbeginn hat Russland mehr als 3.800 davon eingesetzt, jährlich kann die russische Kriegsindustrie 200 bis 300 Stück produzieren, würde Stand jetzt also mindestens zwölf Jahre benötigen, um die bereits verfeuerten Raketen zu ersetzen. Zusätzlich weist etwa der luftgestützte Marschflugkörper Ch-101 massive Fehlfunktionen auf – und das obwohl ein Exemplar 13 Millionen Dollar pro Stück kostet.
Laut Politico greift Russland beim Waffenbau auf Halbleiterchips aus Haushaltsgeräten wie Kühlschränken zurück, weil man sich in den vergangenen Jahren auf westliche Zulieferer verlassen habe.
Eine Steigerung der Produktionskapazitäten scheint angesichts des Mangels an Fachkräften und des Embargos bei der Lieferung von notwendigen Industriegütern zweifelhaft. Laut ukrainischen Quellen soll das russische Arsenal an modernen Raketen und Marschflugkörpern um mehr als die Hälfte geschrumpft sein.. Trifft das zu, sind das dennoch schlechte Nachrichten für ukrainische Zivilisten: Denn nach wie vor befinden sich Raketen aus sowjetischer Produktion – ein großer Teil tatsächlich in der Ukraine gefertigt – in den Händen der russischen Streitkräfte.
In puncto Genauigkeit sind sie fehleranfällig, was beispielsweise den Einschlag auf einem ukrainischen Kinderspielplatz am Montag erklären könnte. Zu den alten Geschossen zählen etwa die S-300-Raketen, die eigentlich für die Luftabwehr hergestellt wurden. Bereits im Sommer setzten die russischen Streitkräfte diese gegen Gebäude im Raum Cherson ein. Nachdem der Winter nicht viele Möglichkeiten für den Kampf am Boden zulassen dürfte, ist damit zu rechnen, dass der Kreml die Schläge gegen Energieinfrastruktur und zivile Einrichtungen verstärken wird – nur mit weniger präzisen Waffen und damit mit einem noch höheren Risiko für die ukrainische Bevölkerung.
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