Der belarussische (weißrussische) Staatschef Alexander Lukaschenko hat den Nachbarländern Litauen, Polen und Ukraine die Ausbildung belarussischer "Radikaler" zur Ausführung von Terroranschlägen vorgeworfen. "Die Ausbildung von Kämpfern, darunter belarussische Radikale, in Polen, Litauen und der Ukraine für Sabotage, Terroranschläge und die Organisation einer militärischen Meuterei im Land wird zu einer direkten Bedrohung", sagte Lukaschenko am Montag bei einem Treffen mit Militärvertretern.
Zuvor hatte Lukaschenko laut staatlicher Nachrichtenagentur "Belta" der Ukraine vorgeworfen, sie plane einen Angriff auf sein Land. Dabei hatte er die Aufstellung eines gemeinsamen Verbundes von belarussischen und russischen Truppen angekündigt.
Noch ist nicht klar, in welchem Umfang die „gemeinsame militärische Eingreiftruppe“ von Weißrussland und Russland operieren wird.
Bisher hatte Lukaschenko lediglich die Bildung dieser Einheit verkündet, „um auf eine Verschärfung der Spannungen an den westlichen Grenzen des Landes zu reagieren“. Dazu hätten beide Länder vor zwei Tagen damit begonnen, Kräfte zusammenzuziehen. Doch über welche Schlagkraft verfügen die belarussischen Truppen und was würde ein belarussischer Kriegseintritt für die Ukraine bedeuten?
Belarus ist mit Russland verbündet. Moskau nutzte das Land als Basis für den Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar und schickte Truppen und Ausrüstung von Stützpunkten von dort aus in den Norden der Ukraine. Da das ukrainische Militär im Osten und Süden bereits stark beansprucht ist, kann es sich eine neue Front im Norden kaum leisten - eine Front, die dringend benötigte Waffen und Ressourcen von anderen Schlachtfeldern im Lande abziehen würde.
Allerdings würde ein definitiver Kriegseintritt Minsks auch im Inland für Proteste und mehr sorgen: Eine kürzlich erfolgte, von den Eisenbahnarbeitern des Landes organisierte Sabotagekampagne zeigt, dass viele Bürger eine sehr klare Vorstellung davon haben, wen sie unterstützen - und das ist nicht Russland.
Lukaschenko steht jedoch unter dem Druck Putins, mehr zu tun – vor allem nach den russischen Niederlagen am Schlachtfeld. Ein unerwarteter Dolchstoß in den Rücken der Ukraine aus Richtung Weißrussland könnte für die bedrängten russischen Generäle ein deutlicher Anreiz sein.
Ende Mai und Anfang Juni richtete Belarus ein neues Einsatzkommando im Süden des Landes ein und stationierte sieben Bataillone in der Nähe der Grenze zur Ukraine. Die Streitkräfte führten Mobilisierungsübungen in der Grenzregion Homiel durch, wo belarussischen Zivilisten der Zugang zu bestimmten Bezirken untersagt wurde. Lukaschenko begann außerdem mit der Rekrutierung einer "Volksmiliz" als Hilfstruppe für die Armee und die territorialen Verteidigungskräfte.
Die meisten Militärexperten in der Ukraine und in den USA halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass Weißrussland in nächster Zeit eine groß angelegte Bodeninvasion starten wird. Das belarussische Militär ist mit einer Stärke von 60.000 Mann relativ klein und auf dem Schlachtfeld unerprobt und kann den Ausgang des Krieges wahrscheinlich nicht wesentlich beeinflussen. Außerdem ist der Krieg innerhalb der militärischen Führung äußerst unpopulär. Lukaschenko könnte eine Revolte im Offizierskorps riskieren, sollte er eine Invasion anordnen.
Auch in der breiten Öffentlichkeit ist der Krieg unbeliebt. Es wurde nicht nur das Eisenbahnsystem sabotiert, sondern die belarussischen Kriegsgegner haben auch versucht, die russischen Kriegsanstrengungen durch Cyberangriffe auf staatliche Einrichtungen zu verlangsamen. Hunderte von Belarussen haben sich freiwillig zum Kampf für die Ukraine gemeldet, da sie den Krieg als gemeinsamen Kampf gegen die russische Vorherrschaft und Autokratie betrachten. Viele weitere haben bereits gezeigt, dass sie bereit sind, ihr Leben zu riskieren und sogar zu opfern, um die russische Aggression zu bekämpfen.
Allerdings könnte der heutige Tag einiges ändern: Diplomatisch und wirtschaftlich isoliert wegen seiner Komplizenschaft im Krieg, ist Weißrussland von Russland abhängig wie nie zuvor.
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