Das ist Emmanuel Macrons letztes Aufgebot
Es ist Emmanuel Macrons buchstäblich letztes Aufgebot, das soeben ins Amt gelangte. Mit diesem zu einem Drittel erneuerten Regierungsteam will Frankreichs liberaler Staatschef die restlichen 21 Monate bis zu den nächsten Präsidentenwahlen bestreiten.
Die Rechnung kann aufgehen. Macron ist ein zäher Kämpfer, der an seiner Mixtur aus unternehmerfreundlichen Reformen und Neugestaltung der sozialen Abfederungen eisern festhält – trotz permanenten Gegenwinds, sei es nun durch den Gelbwesten-Aufstand, die Bahnstreiks gegen seine Rentenreform, die Schlappe seiner Partei bei den landesweiten Kommunalwahlen vor einer Woche und vor allem durch den Wirtschaftseinbruch in Folge des Corona-Lockdowns, der Frankreich einstweilen noch tiefer in den Abgrund zieht als die meisten der vergleichbaren Staaten.
Finaler Kampf
Um diesen finalen Kampf zu bestehen, hat Macron innerhalb des politischen Lagersystems Frankreichs eine klare Wahl getroffen. Zwar hatte er seine Polit-Laufbahn als Wirtschaftsminister unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande begonnen und anschließend, als Präsidentschaftskandidat, vor allem Überläufer aus der SP um sich geschart. Aber inzwischen ist seine Wählerschaft vor allem im Mitte-Rechts-Bereich angesiedelt, und seine jetzige Regierung hat eine explizit bürgerliche Schlagseite.
Die drei Schlüsselpersönlichkeiten der Regierung, der neue Premier Jean Castex, der – gleich gebliebene – Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und der neue Innenminister Gérald Darmanin, kommen nicht nur alle aus der konservativen Partei „Les Republicains“, sondern waren auch engste Mitarbeiter des bürgerlichen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy. Macron hat sich zuletzt auch regelmäßig und demonstrativ mit dem konservativen Hardliner ausgetauscht.
Dazu passt auch, dass Macron seinen treuesten Gefolgsmann, den Ex-Sozialisten und bisherigen Innenminister Christophe Castaner, auf Druck der Polizei-Gewerkschaften fallen ließ. Castaner, der die längste Zeit der Polizei in allen möglichen und unmöglichen Angelegenheiten die Stange gehalten hatte, leistete sich zuletzt doch noch einen Vorstoß gegen rassistische Ausfälle in den Reihen der Polizei und für das Verbot einer riskanten Festhalte-Methode (den Würgegriff, der inzwischen aber wieder auf Behördenweisung zulässig ist). Trotzdem kam es zu einer Welle von Polizei-Protesten gegen Castaner.
Aber Castaners Ablöse durch den bisherigen Budget-Minister Darmanin erscheint problematisch. Eine Ex-Mitarbeiterin der Konservativen behauptet, sie sei 2009 bei Darmanin, damals Partei-Beauftragter für Justizangelegenheiten, vorstellig geworden. Sie wollte, dass er in einem Konflikt mit ihrem Ex-Lebensgefährten zu ihren Gunsten in Justizkreisen interveniere. Der Politiker habe sie in der Folge aber „vergewaltigt“, klagt die Frau.
Vergewaltigungsvorwurf
Darmanin gab die sexuelle Beziehung zu, behauptete aber, diese sei auf Initiative der Klägerin erfolgt. Das Anklageverfahren wurde von einem Untersuchungsrichter eingestellt, das Pariser Berufungsgericht ordnete aber im Juni die Wiederaufnahme der Erhebungen an.
Seltsam mutet auch an, dass Darmanin in der nordfranzösischen Stadt Tourcoing Bürgermeister bleiben will. Dabei gilt eine derartige Doppelfunktion als unzulässig. Aber er machte aus seiner Verankerung in Tourcoing einen Vorteil: „Im Umkreis des Präsidenten fehlt es an Personen, die zum volkstümlichen Frankreich sprechen, die Bier trinken und mit den Fingern essen“.
Staranwalt leitet Justiz
Gewagt ist auch die Nominierung des neuen Justizministers: Der Staranwalt Eric Dupond-Moretti ist für seine deftigen Medien-Aufritte bekannt. Seine Ernennung zielt auf die Besänftigung der Advokaten ab, die sich wegen der Rentenreform von Präsident Macron abgewendet hatten. Aber in Kreisen von Richtern gilt Dupond-Moretti als erbitterter Gegner der Justizgremien, die sich mit Finanzkriminalität und Korruption beschäftigen.
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