"Selbstjustiz": Schwere Unruhen im französischen Dijon
Während die - teils gewalttätigen - Demonstrationen von französischem Pflege- und Gesundheitspersonal international viel Aufmerksamkeit erhalten haben, gingen schwere Zusammenstöße im ostfranzösischen Dijon über die vergangenen Tage medial unter.
Dort sind Straßenschlachten zwischen rivalisierenden Banden eskaliert. Bewaffnete Tschetschenen und Nordafrikaner lieferten sich über das Wochenende hinweg heftige Kämpfe im Vorort Grésilles im Nordosten der Stadt. Mehrere Nächte in Folge brannten Gegenstände und Autos, die Gruppen errichteten Barrikaden und zerstörten öffentliche Plätze.
Nachdem mehrere Hilferufe von Regionalpolitikern an das Innenministerium ohne Reaktion blieben, sendete die Regierung mittlerweile die Sonderpolizei.
Die Einsatzkräfte hätten es teilweise mit 50 bis 100 Menschen zu tun gehabt, die „mit Schlagstöcken, Sturmgewehren und Kriegswaffen“ ausgerüstet gewesen seien, sagte der regionale Vorsitzende der Gewerkschaft der Nationalpolizei, Stéphane Ragonneau, der Nachrichtenplattform Franceinfo.
Bandenkrieg
Hintergrund der Zusammenstöße soll der Streit zwischen einer tschetschenischen Gruppe mit Bewohnern des Bezirks sein, Nordafrikaner, wie es heißt. Es soll dabei auch um Drogen gehen.
Ein aus Tschetschenien stammender 16-Jähriger soll brutal angegriffen worden sein, als er am 10. Juni in eine Schlägerei zwischen Banden nordafrikanischen und balkanischen Ursprungs verwickelt wurde. Er liegt schwer verletzt im Spital.
Der Vorfall soll eine bewaffnete tschetschenische Bande mit Unterstützung der Diaspora aus anderen Regionen veranlasst haben, "Selbstjustiz" zu üben. Rund 140 Personen sollen einem Aufruf in den sozialen Medien gefolgt und nach Dijon gekommen sein. Videoaufnahmen aus der Stadt zeigen Bürgerkriegsähnliche Zustände.
Im französischen Radio beschwerten sich Bewohner der Vorstadt, die Polizei habe sie mit den Tschetschenen alleine gelassen. Sie müssten sich deshalb selbst verteidigen. Die Polizeipräfektur wies dies zurück.
Auch wenn Unruhen in Vorstädten für Frankreich nicht ungewöhnlich sind - Dijon ist für gewalttätige Konflikte kein typischer Schauplatz. Während es in den Vorstädten der Hauptstadt Paris oder der Küstenmetropole Marseille häufiger zu Zusammenstößen kommt, gilt die Stadt in der ostfranzösischen Region Burgund als ruhig.
Doch die Lage der vergangenen Tagen rief eine alte Bekannte auf den Plan. Am Mittwoch tauchte die französische Rechtspopulistin Marine LePen medienwirksam in Dijon auf.
"Unser Land versinkt im Chaos", sagte sie. Sie wirft Politik und Justiz schwäche vor, zeichnet ein Bild eines Frankreich, das in bewaffneten Konflikten von Migrantengruppen versinkt.
Die Zusammenstöße fallen mitten in den Wahlkampf vor der zweiten Runde der Kommunalwahlen am 28. Juni. In Dijon liegt Bürgermeister François Rebsamen von den Sozialisten in Führung. Marine LePens Besuch sei "nicht willkommen", hatte er im Vorfeld natürlich ausrichten lassen. LePens Partei Rassemblement National hat allerdings in Dijon kaum Aussichten auf einen Wahlerfolg.
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