Genau das hat Trump in den Augen von vier der insgesamt sieben (allesamt von demokratischen Präsidenten ernannten) Richter/-innen in Denver getan, als er am 6. Januar 2021 zum blutigen Sturm auf das Kapitol in Washington aufrief, um den Wahlsieg von Präsident Joe Biden in letzter Minute zu hintertreiben. Konsequenz: Trumps Name dürfe bei der parteiinternen Vorwahl am 5. März in Colorado nicht auf den Wahlzetteln auftauchen.
Supreme Court muss bereits zwei entscheidende Urteile über Trump fällen
Der 77-jährige Ex-Präsident schäumt vor Wut, spricht von einem regelwidrigen Versuch Joe Bidens und der Demokraten, ihn aus dem Rennen um das Weiße Haus zu nehmen und bittet die höchste Streitschlichtungsinstanz der Vereinigten Staaten per Eilentscheid um Aufhebung der „unamerikanischen Entscheidung”.
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Damit ist der Supreme Court in Washington, der dank Trump und der Republikaner strukturell eine stramm konservative Mehrheit von 6:3-Stimmen besitzt, bereits in zwei zentralen Fragen von historischer Dimension gefordert.
Im anderen Fall - der ebenfalls ohne Beispiel ist - will der Chef-Ermittler Jack Smith wissen, ob Trump, wie von ihm behauptet wird, im gesamten Komplex der Wahlmanipulationsversuche von Anfang 2021 Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung genießt. Sollte das Gericht dem zustimmen, wäre der für Frühjahr 2024 geplante Prozess gegen den Ex-Präsidenten wegen Verschwörung gegen die Demokratie geplatzt.
Rechts-Experten schätzten die Siegchancen Trumps gegen das Colorado-Urteil in ersten Bewertungen als „beträchtlich” ein. Gründe: Gerichte in Michigan, New Hampshire, Florida und Minnesota hatten ähnliche Initiativen von Bürgerrechtsgruppen wie „Free Speech” oder „Citizens for Responsibility and Ethics”, Trump von den Wahlzetteln zu streichen, bereits verworfen.
Unter anderem mit der Begründung, dass Trump hinsichtlich der Vorwürfe rechtskräftig bisher keine Straftat nachgewiesen worden sei und die Streichung seines Namens vom Wahlzettel daher einen unangemessenen Eingriff in die Demokratie darstelle.
Konservative Richter widersprechen: Trump müsste von der Wahlliste gestrichen werden
Dem widersprachen zuletzt konservative Top-Juristen. Steven Calabrisi, Gründer der erzkonservativen „Federalist Society”, schrieb, dass Trump seine Anhänger am 6. Januar 2021 aufgerufen hat, „wie verrückt zu kämpfen”, um die an jenem Tag anstehende Zertifizierung des Wahlsieges von Joe Biden zu verhindern.
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Als die blutige Erstürmung der Herzkammer der US-Demokratie im Gange war, habe Trump lange wohlwollend zugeschaut und nichts unternommen, um die Ausschreitungen zu stoppen. Das allein erfülle den Tatbestand, eine „Rebellion zu unterstützen”. Unabhängig von einer möglichen Verurteilung dafür, selbige entfacht zu haben.
Der konservative ehemalige Bundesrichter Michael Luttig konstatierte: „Keine Person, die versucht hat, die Verfassung außer Kraft zu setzen bzw. aufzulösen und seine unmittelbare Rückkehr ins Weiße Haus verlangt hat", könne jemals mehr in gutem Glauben den präsidialen Eid auf die Verfassung schwören.
Ein Urteil dürfte Wahlentscheidend sein - aber nur in Colorado?
Selbst wenn der Supreme Court in Washington die Entscheidung aus Colorado bestätigen sollte, hielten sich - sofern nicht andere Bundesstaaten nachziehen - die Auswirkungen in engen Grenzen. Colorado stellt nur neun von 270 zum Einzug ins Weiße Haus nötigen Stimmen im Wahlmänner-Gremium. Der Bundesstaat ist traditionell demokratisch. Biden gewann hier 2020 mit 13 Prozentpunkten Vorsprung.
Mehrere Konkurrenten Trumps um die republikanische Präsidentschaftskandidatur (Nikki Haley, Ron DeSantis, Vivek Ramaswamy, Chris Christie) stellten sich unterdessen an die Seite des in Umfragen mit weitem Abstand führenden Ex-Präsidenten und warfen der Justiz in Colorado „Missbrauch” und „Wahleinmischung” vor.
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Ein Grund dafür: Man fürchtet Volkes Zorn. Die große Mehrheit der republikanischen Wähler (ca. 60 %) würde Trump laut aktuellen Umfragen am 5. November 2024 auch dann wählen, wenn er vorher rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe verurteilt würde. Sollte Trump von der Justiz vorher von der Wahl ausgeschlossen werden, schließen Extremismusforscher nicht aus, dass es in den USA zu gewaltsamen Unruhen kommt.
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