Beziehung mit EU: Warum von der Leyens Reise nach China so heikel ist
Wenn die Digitalisierung der Goldrausch dieses Jahrhunderts ist, dann verkauft der niederländische Technologiekonzern ASML quasi das Werkzeug an die Goldgräber. Das sind nicht irgendwelche Maschinen, sondern die kompliziertesten, die die Menschheit je gebaut hat.
Und genau diese darf ASML nicht mehr an China liefern. Verhängt hat dieses Verbot die niederländische Regierung, die ihrerseits unter monatelangen, massiven Druck der USA gekommen ist.
Washington, das den wirtschaftlichen Riesen China fürchtet, will das Reich der Mitte von der modernsten Technologie abschneiden. Da müssen auch die europäischen Verbündeten der USA herhalten. Und so geriet ASML, Europas derzeit wertvollster Technologiekonzern, mitten in den Kalten Wirtschaftskrieg zwischen USA und China.
Wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch in Peking aus dem Flugzeug steigt, wird es eines der Themen sein: die schwierige Drecksbeziehung USA-China-Europa.
Von der Leyen will "Risikominderung"
Vor allem aber hat die mächtigste Frau der EU bei ihrem ersten offiziellen Besuch in China eine Botschaft mit im Gepäck: „Risikominderung“ – denn es sei „weder umsetzbar noch im Interesse Europas, sich von China abzukoppeln“, sagt sie.
Europas Dilemma mit China
Was so viel bedeutet wie: Die EU will ihre Beziehungen zu China neu aufstellen – so viel Zusammenarbeit wie möglich, etwa beim Kampf gegen den Klimawandel, bei der Gesundheitspolitik, bei der Nichtverbreitung von Atomwaffen. Intensiver gegenseitiger Handel und Investitionen – so lange sie fair bleiben.
Wirtschaftspartner
Die EU und China sind wirtschaftlich eng miteinander verflochten: 9 Prozent der EU-Exporte gehen nach China – bei den Einfuhren in die EU beträgt der Anteil Chinas sogar 20 Prozent. Bei manchen Rohstoffen ist Europa zu 100 Prozent von China abhängig
Prognose
Heuer erwartet China ein Wirtschaftswachstum von rund 5 %. In der EU wird das Plus
0,9 % betragen
7,2 Prozent
werden heuer die Militärausgaben Chinas höher ausfallen. Die mehr als 300 Mrd. Euro entsprechen nicht einmal der Hälfte des US-Militärbudgets
Und so wenig Abhängigkeit von China wie nur machbar – etwa bei Rohstoffen und Seltenen Erden.
Jeronim Zettelmeyer, Direktor des renommierten Brüsseler Wirtschaftsforschungsinstitutes Bruegel, bringt es gegenüber dem KURIER auf den Punkt: „Wir stehen vor einem Dilemma: Einerseits wollen wir China als Handelspartner. Andererseits sehen wir China als Rivalen und als potenzielle militärische und wirtschaftliche Bedrohung.“
Dieses Dilemma zu lösen, dürfte der EU-Kommissionschefin in ihrem Gespräch mit Xi Jinping kaum auf Anhieb gelingen. Ihr gegenüber sitzt ein vor Selbstbewusstsein strotzender, in seiner Allmacht erst jüngst bestätigter chinesischer Staatschef.
Doch auch Von der Leyen weiß: China will und braucht gute Wirtschaftsbeziehungen zu Europa – umso mehr, als Peking vonseiten der USA immer stärker unter Druck gerät. Und so fährt auch die Kommissionschefin neuerdings eine überraschend harte Linie gegenüber Peking.
Allianz mit Moskau
In einer viel beachteten Rede verwies sie vergangene Woche auf die massive Aufrüstung Chinas, die militärische Bedrohung Taiwans und damit jener des gesamten internationalen Seehandels. Vor allem aber kritisierte sie Pekings Allianz mit Russland. Dahinter stehe Chinas Ziel, eine alternative Weltordnung aufzubauen. Und zum Anspruch Chinas als Weltmacht gehöre auch, so von der Leyen, „der bewusste Einsatz von Abhängigkeiten und wirtschaftlicher Einflussnahme, um sicher zu stellen, dass China von kleineren Ländern bekommt, was es will.“
"Verteidigungselemente" gegen China
Die EU will deshalb künftig mit „Verteidigungselementen“ gegen China auffahren. Dazu gehören Importrestriktionen oder Kaufverbote für chinesische Interessenten. Selbst europäische Investoren, die in China Geschäfte machen wollen, könnten künftig streng geprüft und im Extremfall gestoppt werden, kündigte von der Leyen an.
Aus Peking kommen indes ebenfalls harsche Töne: „China hofft, dass Europa wirklich seine strategische Autonomie umsetzen wird“, twitterte jüngst die Sprecherin des Außenministeriums – nichts anderes als eine höflich umschriebene Warnung:
Europa soll nicht den Fehler begehen, sich von den USA kommandieren zu lassen. Und in Richtung Niederlande und dessen Tech-Konzern ASML drohte Fu Cong, Botschafter Chinas in der EU, in der Financial Times: „China wird nicht einfach still sitzen und ohne darauf zu antworten zusehen, wie auf unseren Interessen herumgetrampelt wird.“
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