Das Dilemma: China ist Handelspartner und gleichzeitig Rivale und eine potenzielle militärische und wirtschaftliche Bedrohung.
Die EU-Kommission hat nun Vorschläge präsentiert, die die Abhängigkeiten von China reduzieren sollen …
Die Ironie dabei ist, dass nicht China, sondern die USA der Anlass für diese Vorschläge waren. Und das stört mich. Man stuft das US-Klimaschutzgesetz (IRA) fast wie eine gleichwertige „ernsthafte ökonomische Störung“ ein wie Covid oder den Angriff Russlands auf die Ukraine.
Das ist lächerlich. Aber so bot das IRA Anlass, die temporäre Lockerung des EU-Beihilfenrechts zu modifizieren und noch einmal zu verlängern. Meines Erachtens ist das grenzwertig.
Sie kritisieren, dass zu lockere staatliche Beihilfen im EU-Binnenmarkt Ungleichgewichte schaffen?
Wir wollen nicht, dass die EU-Staaten ihren eigenen Unternehmen im Wettbewerb helfen. Warum nicht? Zu einem möglichst vollkommenen gemeinsamen Markt gehört Wettbewerb – und da soll es von den Wettbewerbschancen her keinen Unterschied machen, ob ein Unternehmen in Deutschland oder Österreich steht. Deswegen gibt es Beihilfen nur in Ausnahmen.
Jetzt, nach dem IRA, etwa ist vorgesehen, dass europäische Unternehmen, die von den USA Subventionen angeboten bekommen, die zur Abwanderung führen könnten, Beihilfen auch von den EU-Staaten erhalten dürfen. Hier wird also ausdrücklich ein Subventionswettbewerb legalisiert, aber kein Wettlauf. Denn die Gegensubventionen dürfen nicht höher sein als in den USA.
Subventionieren die USA ihre Energiewende stärker als Europa?
Im Gegenteil – die Förderung von erneuerbaren Energien in Europa wird jene in den USA um ein Mehrfaches übersteigen. Wir haben 2020/21 rund 80 Milliarden Euro ausgegeben. Und die US-Ausgabenschätzung dafür beläuft sich auf 208 Milliarden Dollar – für den Zeitraum von zehn Jahren. Das heißt: Wir haben in einem einzigen Jahr 40 Prozent von dem ausgegeben, was die USA für zehn Jahre erwarten.
Was stört uns dann in Europa so sehr am IRA?
Das sind zum einen Steuerabschreibungen für Haushalte, die sich ein E-Auto kaufen. Diese werden nur gewährt, wenn die Autos und deren Komponenten in den USA erzeugt werden. Das schafft einen Wettbewerbsvorteil für die US-Autoindustrie. Zum anderen wird die Produktion von Batterien, Windrädern, Solarzellen in den USA noch einmal extra und sehr hoch subventioniert. Etwas Vergleichbares haben wir hier nicht. Und das ist die direkte Wettbewerbsbedrohung für Europa. Wir kennen die Gerüchte, dass Firmen überlegen, in die USA abzuwandern.
Und die niedrigeren Energiepreise? Locken die nicht auch in die USA?
Das taten sie schon früher. Unser Problem ist: Wir können die Energiekosten nicht einfach senken, indem wir jetzt anfangen, Energie zu subventionieren. Das wäre extrem teuer und widerspricht unseren Klimazielen. Wir müssen also unsere Kosten senken. Und der einzige Weg dahin führt über den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Und wie kann Europa die Abhängigkeiten von China reduzieren?Manches ist ja schon im Gange: Auch China verliert an Wettbewerbsfähigkeit – gegenüber Konkurrenten in Asien. Zweitens haben unsere Firmen durch die Schließung der Häfen in China und die Unterbrechung der Lieferketten einen Schock erlebt. Diese Erfahrung führt uns zu einer Diversifizierung der Lieferketten. Soll die Politik darüber hinaus noch intervenieren?
Die USA machen das sehr aggressiv. Aber sie sind im Green-Tech-Bereich noch wesentlich abhängiger von China als Europa. Chinesische Produkte werden von den USA diskriminiert. Die USA stellen jetzt ihre Lieferketten um, und das wird wiederum Europa nützen.
Wird die EU mit ihren geplanten Gesetzen Handelsbeschränkungen gegenüber China anpeilen?
Direkte Interventionen, die unsere Firmen davon abhalten, mit China Handel zu treiben, muss man sich sehr genau überlegen. Was mich an dem von der EU-Kommission nun präsentierten „Netto-Null-Industrie-Gesetz“ irritiert, ist, dass es keine Kosten-Nutzen-Analyse gibt, wie man die Abhängigkeiten zu China abbaut, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten, nämliche die Vorteile des internationalen Handels einzuschränken.
Stattdessen setzt die Kommission das generelle Ziel fest, dass 40 Prozent der Produkte, die wiederum erneuerbare Energien erzeugen sollen, in Europa produziert werden müssen. Diese 40 Prozent richten sich auch nicht explizit gegen China, sondern gegen alle, die außerhalb Europas sind.
Wir reden also von Protektionismus?
Das ist Protektionismus – in der Motivation. Nicht so sehr in den Mitteln. Zölle werden ja nicht eingerichtet und es gibt auch keinen Ruf nach „buy european“. Aber mich stört die Willkürlichkeit dieses 40-Prozent-Ziels. Das sind keine wirkungsvollen Reformen. Wir sollten stattdessen das Regulieren generell effizienter machen.
Kommentare