Als begnadete Rednerin ist die nach nur sechs Wochen im Amt schwer angezählte britische Premierministerin Liz Truss nicht bekannt. Also betonte sie am Mittwoch im Unterhaus bei der Fragestunde ihre Nehmerqualitäten. Es war übrigens die erste Nagelprobe vor den Abgeordneten, seit die Tory-Chefin wegen des Chaos an den Finanzmärkten ihren Schatzkanzler feuern und nicht gegenfinanzierte Steuerversprechen aufgeben hatte müssen. „Ich bin eine Kämpferin, kein Drückeberger“, verteidigte sich Truss, als Labour Partei-Chef Keir Starmer fragte, warum nicht auch sie den Hut nehme. „Treten sie zurück“, riefen Oppositionspolitiker.
„Ihre Versprechen halten nicht einmal eine Woche“, attackierte Starmer sie weiter. Dann zählte er eine Reihe von Beispielen auf, jeweils gefolgt vom Wort „gone“, also „futsch“. Seine Fraktion akklamierte.
Viel mehr, als den medialen Boxsack zu geben, bleibt Truss derzeit kaum übrig. Die stets kleiner wirkende Schar von Vertrauten hofft auf einen Neustart mit dem Budget am 31. Oktober. Auch auf Brexit-Hardliner in der eigenen konservativen Partei scheint sie zu bauen. So signalisierte sie, im Streit mit der EU um den Status von Nordirland eine harte Linie beibehalten zu wollen. Aber es herrscht Unmut unter den Tories.
Mit ihren Kehrtwenden habe Truss nur einen „Hinrichtungsaufschub“ erreicht, meinen viele. Sechs Tory-Mandatare fordern öffentlich ihren Abgang. Laut Guardian ist aber bereits von bis zu 100 Misstrauensbriefen gegen sie die Rede. Das zuständige Fraktionskomitee traf sich am Mittwochnachmittag. Erwartet wurde, dass es auch die bestehenden Regeln besprechen würde (ändern?), die ein Misstrauensvotum gegen Truss erst nach einem Jahr erlauben.
Petition für Neuwahlen
Mit dem Hinweis auf eine „zunehmend chaotische Regierung, der es an Legitimation mangelt“, hat der Independent nun eine Petition für Neuwahlen gestartet: „So kann Großbritannien nicht weitermachen.“
Weiter geschwächt wurde Truss durch eine YouGov-Umfrage, wonach sogar 55 Prozent der Tory-Parteimitglieder ihren Rücktritt fordern. Und J. L. Partners fand, dass 60 Prozent von ihnen nun Ex-Finanzminister Rishi Sunak bevorzugen, der Truss in der Stichwahl unter Mitgliedern im Sommer unterlegen war.
Auch ein Kommentator des konservativen Telegraph rief nach Sunak als Nachfolger von Truss. „Es gibt keinen Grund, warum sich die Partei jetzt nicht um Sunak vereinen sollte, abgesehen von einer scheinbar pathologischen Unfähigkeit, sich geschlossen hinter eine Person zu stellen“, meinte er. „Truss muss gehen“, hieß es in dem Blatt.
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