Liz Truss und ihr nun zurückgetretener Finanzminister Kwarteng – ein Kreuzritter der freien Marktwirtschaft – haben sich einem alten Traumbild verschrieben, das bei den britischen, aber auch anderen Konservativen quasi religiöse Verehrung genießt: die Wirtschaftsreformen Margaret Thatchers zu Beginn der 1980er.
Als Premierministerin hatte die sich damals mit dem Vorschlaghammer an der technisch veralteten, von Gewerkschafts-Betonköpfen zu Tode regulierten Industrie zu schaffen gemacht. Sie brachte den britischen Inseln über Jahre bürgerkriegsähnliche Zustände und soziales Elend, aber zuletzt eine wirtschaftliche Erneuerung.
Bis heute prägend
Die Folgen dieser Politik prägen heute noch das britische Wirtschafts- und Sozialsystem, von der Londoner City als Hauptstadt des globalen Finanzkapitals bis zu einem baufälligen öffentlichen Gesundheitswesen und einem entgleisten Immobilienmarkt, der nicht in der Lage ist, das Grundbedürfnis normaler Bürger nach Wohnen zu leistbaren Bedingungen zu befriedigen.
Finanzmärkte außer Rand und Band
Thatchers Brachialreform mag ein schmerzhaftes, aber zuletzt zumindest teilweise erfolgreiches Heilmittel für eine Wirtschaft gewesen sein, wie sie in den 1970ern in Großbritannien, aber auch in vielen anderen Ländern Europas noch existierte. Doch die hat mit modernen westlichen Ökonomien und ihren Problemen nichts mehr zu tun. Die werden von außer Rand und Band geratenen Finanzmärkten, einem Angriffskrieg mitten in Europa und nicht zuletzt durch undurchdachte staatliche Gießkannen-Sozialpolitik erdrückt.
Das Steuersenkungs-Hurra, das Truss da anzetteln wollte und von dem so mancher Marktliberale insgeheim auch anderswo in Europa träumt, ist da nicht das passende Rezept. Mit dem Latein, dem diese Marktliberalen seit Jahrzehnten vertrauen, sind sie am Ende. Die Rezession, die sich gerade vor unseren Augen entfaltet und in die Großbritannien noch schneller als alle anderen schlittert, braucht eine europäische Politik, die sich ihrer Verantwortung, aber auch ihrer Möglichkeiten bewusst ist, keine marktliberalen Alleingänge von Politikern, die sich selbst entmachten und aus dem Spiel nehmen.
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