Sunak und Truss lieferten sich TV-Duell um Johnson-Nachfolge

BRITAIN-POLITICS-CONSERVATIVES
Streit über Steuern. Favoritin Truss: Würde gegen chinesische Tech-Konzerne vorgehen. Entscheidung am 5. September.

Im Rennen um die Nachfolge des britischen Premierministers Boris Johnson haben sich Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss bei ihrer ersten TV-Debatte einen offenen Schlagabtausch zu Themen wie Steuern geliefert. Vor dem einstündigen Duell am späten Montagabend in Stoke-on-Trent galt Truss mehreren Umfragen zufolge als Favoritin. Sie ist für sofortige Steuersenkungen, während Sunak zunächst einen Rückgang der Inflation abwarten will.

Sunaks Fokussierung auf ein ausgeglichenen Budget würde die Wirtschaft in eine Rezession stürzen, sagte Truss zu Sunak. "Die Wirtschaft zusammenbrechen zu lassen, um Schulden schneller zurückzuzahlen, wäre ein großer Fehler." Sunak entgegnete, dass Truss' versprochene Steuersenkung nichts anderes als ein "Zuckerrausch" für die Wirtschaft seie, auf den unweigerlich der Absturz folgen würde.

"Glaubt irgendjemand, dass es vernünftig ist, eine massive Kreditaufnahme in Höhe von zig Milliarden Pfund zu machen und die Inflation noch weiter anzuheizen?", fragte er rhetorisch. Truss kündigte an, im Falle eines Sieges gegen chinesische Technologiekonzerne wie TikTok vorgehen zu wollen.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Survation unter 1032 Wählern ergab, dass 39 Prozent der britischen Öffentlichkeit der Meinung waren, Sunak habe sich in der Debatte am besten geschlagen, gegenüber 38 Prozent, die Truss für besser hielten. Britische Medien wiesen aber vor der Debatte darauf hin, dass die Tory-Mitglieder die Gesamtbevölkerung nur ungenau abbilden. So sei mehr als die Hälfte von ihnen älter als 50 Jahre.

Die oppositionelle Labour Party erklärte, beide Kandidaten hätten in der Debatte die Regierungsbilanz der Konservativen schlechtgeredet und keiner von ihnen habe einen Plan zur Bewältigung der sich verschärfenden Lebenshaltungskostenkrise vorgelegt. Die Inflation in Großbritannien ist auf dem besten Weg, jährlich elf Prozent zu erreichen, das Wachstum stagniert, die Zahl der Arbeitskämpfe nimmt zu und das Pfund ist gegenüber dem Dollar auf einem historischen Tiefstand.

Elf Kandidaten beworben

Die beiden Kandidaten hatten bei der letzten Abstimmung der konservativen Abgeordneten genügend Stimmen erhalten, um in die Endrunde einzuziehen. Ursprünglich hatten sich elf Kandidaten um die Johnson-Nachfolge beworben. Nun sollen die 200.000 Mitglieder der Partei per Briefwahl zwischen Sunak und Truss als zukünftigen Vorsitzenden entscheiden. Das Ergebnis wird am 5. September bekanntgegeben. Der Vorsitzende der Partei steht automatisch an der Spitze der Regierung, da die Tories die größte Partei im Unterhaus sind.

Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker Sunak galt lange als Favorit für eine Nachfolge Johnsons. Er verdiente sich in der Corona-Pandemie Meriten mit einem Rettungsprogramm für die Wirtschaft. Viele Briten hielten die Unterstützung seines Ministeriums angesichts der explodierenden Lebenshaltungskosten jedoch für zu gering und die Steuern für zu hoch. Sunak wurde wie Johnson für Verstöße gegen Lockdown-Auflagen bestraft.

Truss gilt indes als Liebling der konservativen Parteibasis, die über die Nachfolge entscheidet. In Johnsons Regierung war sie zunächst zwei Jahre lang Außenhandelsministerin, bevor die überzeugte Brexit-Befürworterin zur Außenministerin berufen wurde. Seit vergangenem Jahr vertritt sie zudem als Chef-Unterhändlerin in Brüssel bei der EU britische Positionen.

Rücktritt Sunaks als Auslöser

Johnson war auch nach mehreren Verfehlungen nicht zurückgetreten. Erst nach dem Abgang zahlreicher Mitarbeiter aus Protest kündigte er sein Ausscheiden an. Entscheidend war dabei der Rücktritt Sunaks. Dies wird dem Ex-Finanzminister von vielen Tory-Mitgliedern übel genommen, bei denen Johnson immer noch hoch im Kurs steht.

Johnson will Amt bleiben, bis die Nachfolge geklärt ist. Kurz vor der Debatte berichtete die Zeitung "The Telegraph" unter Berufung auf den ehemaligen Finanzminister Peter Cruddas, Johnson habe bei einem gemeinsamen Essen am Freitag erklärt, er würde am liebsten nicht zurücktreten. Andere Medien zitierten jedoch unmittelbar darauf Regierungsvertreter, wonach Johnson an seinem geplanten Rücktritt festhalte.

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