Brexit: Hart, medium oder auf die lange Bank

May will einen Aufschub und stößt bei Tusk auf offene Ohren stößt
Bislang war Austritt am 12. April geplant. Jetzt will Premierministerin Theresa May einen Aufschub.

Geht der Brexit nächste Woche  über die Bühne? Wird er zu einer dauernden Frühlingsposse? Oder gar zu einem Sommertheater? Am Freitag beantragte Großbritanniens Premierministerin Theresa May jedenfalls einen Aufschub des für kommenden Freitag fixierten Austrittsdatums auf 30. Juni. Das allerdings in einem flexiblen Format. Das Datum Ende Juni sei demnach eine Maximal-Variante.

Die britische Regierung, so May, wolle einen Fahrplan für die Ratifizierung  des Austritts-Abkommens vereinbaren, der es Großbritannien gestatten soll, noch vor dem 23. Mai 2019 (an diesem Tag starten die EU-Wahlen) auszutreten. Die EU-Wahl solle vorbereitet und im Fall eines früheren Austritts annulliert werden. Es sei frustrierend, so schreibt May, dass man diesen Prozess noch nicht erfolgreich abgeschlossen habe. May spricht nun davon, im Parlament neuerlich Abstimmungen über „klare Optionen“ abhalten zu wollen.

Tusk: 12 Monate

Zumindest beim Adressaten von Mays Schreiben, dürfte die Britin damit auf offene Ohren stoßen. Ratspräsident Donald Tusk plädierte gar für einen flexiblen Aufschub um 12 Monate. Entscheiden  werden die 27 verbleibenden EU-Staaten kommenden Mittwoch beim  Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der EU.

In der letzten Einigung, die eine Verschiebung auf den 12. April beinhaltete, war vorgesehen, dass ein Aufschub bis zur Konstituierung des neuen EU-Parlaments gewährt werden kann, so May einen klaren  Plan vorlegt. Seit Mitte der Woche verhandelt May nun auch mit der Labour-Opposition – ohne Anzeichen auf eine Einigung. Einem neuerlichen Aufschub müssten die EU-Staaten einstimmig zustimmen. Am Freitag wollte Tusk noch die Botschafter der EU-Staaten über Mays Schreiben informieren und die Positionen  einholen.

Aus Wortmeldungen diverser Politiker quer durch Europa lässt sich jedenfalls keine einheitliche EU-Position erahnen. Vor einer Sitzung der Eurogruppe in Bukarest sagte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire, „wenn wir die Gründe für einen Aufschub nicht verstehen, kann es keine positive Antwort geben“. Es müsse Klarheit darüber herrschen,  wozu eine Verlängerung genutzt werden würde.

Und auch Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz gab sich bei dem Treffen in Bukarest zurückhaltend – einen echten Fahrplan ortet er in Mays Ansuchen um Aufschub anscheinend nicht: Er, so Scholz, hoffe, dass das britische Parlament und die Regierung „eine Entscheidung treffen, die der EU präsentiert werden kann“.

Auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz äußerte sich skeptisch über einen Aufschub. "Aus derzeitiger Sicht gibt es überhaupt keinen Grund für eine Fristerstreckung", so Kurz.

Der britische Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg twitterte indes: Sollte Großbritannien wegen eines langen Aufschubes in der EU stecken bleiben, müsste man sich „so schwierig wie möglich verhalten“ und alles auf EU-Ebene blockieren.

Erst am Mittwoch hatte das Unterhaus für einen weiteren Aufschub des Austritts aus der EU votiert. Am kommenden Montag wird das Oberhaus nach Angaben der Labour-Partei darüber debattieren. 

Sollten die Gespräche mit der Opposition nicht zu einer Lösung führen, will May eine weitere Runde von Abstimmungen im Parlament über "klare Optionen" abhalten. An das Ergebnis werde sich die Regierung halten, sofern die Opposition das auch tue. In London hat das Unterhaus aber das EU-Austrittsabkommen bereits drei Mal abgelehnt und auch noch keinem anderen Plan für den Brexit zugestimmt. Die jetzigen Gespräche mit der Opposition dienen dabei vor allem einem Ziel: Ein harter Brexit soll vermieden werden.

Parlament stimmt für Brexit-Verschiebung

Theresa Mays Brief an Donald Tusk:

Lieber Donald,

Wenn wir uns bei dem von Dir für den 10. April einberufenen Europäischen Rat nicht auf eine weitere Verlängerung einigen, wird das Vereinigte Königreich die Europäische Union am 12. April 2019 um 23.00 Uhr britischer Sommerzeit ohne ein Abkommen verlassen.

Politik der Regierung war und ist es, die Europäische Union in geordneter Weise und ohne eine unangemessene Verzögerung zu verlassen. Das Unterhaus hat bisher weder das Abkommen gebilligt, das dies ermöglichen würde, noch eine Mehrheit für einen anderen Vorschlag gefunden. Das Unterhaus hat sich jedoch weiterhin dagegen ausgesprochen, die Europäische Union ohne ein Abkommen zu verlassen. Die Regierung stimmt zu, dass der beste Ausgang ein Verlassen mit Abkommen ist.

Diese Sackgasse darf nicht länger bestehen bleiben. Es schafft Unsicherheit im Vereinigten Königreich und schadet dem Glauben an die Politik, während die Europäische Union den legitimen Wunsch hat, mit Entscheidungen über ihre eigene Zukunft fortzufahren.

Wenn die Gespräche nicht bald zu einem einzigen einheitlichen Ansatz führen, würde die Regierung stattdessen versuchen, einen Konsens über eine kleine Anzahl klarer Optionen für die zukünftigen Beziehungen zu finden, die dem Unterhaus in einer Reihe von Abstimmungen vorgelegt werden könnten, um einen Kurs festlegen zu können. Die Regierung ist bereit, sich an die Entscheidung des Unterhauses zu halten, wenn sich die Opposition verpflichtet, dasselbe zu tun. 

Nachdem die Regierung im vergangenen Monat widerwillig eine Verlängerung der Frist für Artikel 50 beantragt hatte, muss sie dies nun erneut tun.

Die Regierung ist nach wie vor der Ansicht, dass es weder im Interesse des Vereinigten Königreichs als ausscheidender Mitgliedstaat noch im Interesse der Europäischen Union als Ganzes ist, dass das Vereinigte Königreich an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnimmt.

Ich schreibe, um den Europäischen Rat darüber zu informieren, dass das Vereinigte Königreich eine weitere Verlängerung anstrebt. Das Vereinigte Königreich schlägt vor, dass dieser Zeitraum am 30. Juni 2019 endet. Wenn die Parteien vor diesem Datum in der Lage sind, zuzustimmen, schlägt die Regierung vor, die Frist vorzeitig zu beenden. Die Regierung ist bereit, sich auf einen Zeitplan für eine Ratifizierung zu einigen, der es dem Vereinigten Königreich ermöglicht, vor dem 23. Mai 2019 aus der Europäischen Union auszutreten und somit die Wahlen zum Europäischen Parlament abzusagen, wird aber weiterhin verantwortungsvolle Vorbereitungen für die Wahlen treffen, sollte sich dies als nicht möglich erweisen.

Es ist frustrierend, dass wir diesen Prozess noch nicht zu einem erfolgreichen und geordneten Abschluss gebracht haben. Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist nach wie vor fest entschlossen, dies zu tun, und wird weiterhin als konstruktiver und verantwortungsvoller Mitgliedstaat der Europäischen Union (...) in dieser außergewöhnlichen Zeit handeln. Ich wäre dankbar für die Möglichkeit, unsere Kollegen in unserer Sitzung am Mittwoch darüber zu informieren.

Mit besten Grüßen,

Theresa May

 

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